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14 neue Stolpersteine gegen Antisemitismus und Rassismus

Nur wenige Tage nach dem ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel werden die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen weitere Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegen. Insgesamt 14 neue Stolpersteine sollen an Menschen erinnern, die mit ihren Familien unermessliches Leid und Ungerechtigkeit während des nationalsozialistischen Terror-Regimes erfahren haben. Am 30. Oktober 2024 werden die Stuttgarter Ini-
tiativen im Rahmen von Gemeinschaftsverlegungen 8 Gedenksteine neu verlegen und einen Gedenkstein wieder einsetzen.

Begleitend zur Verlegung am 30. Oktober wird die US-Schauspielerin Eleanor Reissa, Tochter eines KZ-Überlebenden, über ihre Familie sprechen. Erben des ermordeten Kunstsammlers Max Rosenfeld reisen zur Eröffnung der Ausstellungen „Grafik für die Diktatur“ an.

Einen Monat später, am 26. November 2024 wird der Künstler Gunter Demnig, Initiator des europäischen Kunst- und Erinnerungsprojektes, wieder persönlich nach Stuttgart kommen, um 6 weitere Gedenksteine selbst zu setzen.

Der zunehmende Antisemitismus erschüttert

Wie wichtig eine gelebte Erinnerungskultur und die weitere Bekämpfung von Diskriminierung und antisemitischen Anfeindungen ist, wird nicht erst seit dem bestialischen Hamas-Überfall auf Israel sichtbar. In Deutschland, ja in ganz Europa, haben antisemitische Vorfälle zuletzt massiv zugenommen, schreibt die EU-Grundrechte-agentur. Deutschlandweit hat die Polizei in diesem Jahr bislang bereits mehr als 3200 antisemitisch motivierte Straftaten registriert. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, hat das Bundesinnenministerium errechnet. In Baden-Württemberg haben sich die Zahlen sogar verdreifacht, so Innenminister Thomas Strobl. Hass und Gewalt begegnen jüdischen Mitbürger:innen nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße, in Parks, in Universitäten oder in Geschäften. Viele Jüdinnen und Juden leben wieder in Angst.
Mit den Stolperstein-Verlegungen am 30. Oktober und am 26. November gedenken wir jüdischer Familien und aller Verfolgten der NS-Gewaltherrschaft.

4 Stolpersteine für die Familie Rosenfeld

Im Herdweg 63 im Stuttgarter Norden erinnert künftig ein Stolperstein an den Kaufmann und Kunstsammler Max Rosenfeld. Die Gedenkveranstaltung dort findet am 30. Oktober um 16:00 Uhr statt. Am selben Tag bereits um 11:00 Uhr wird in der Gustav-Siegle-Straße 3 in Stuttgart-West seines Sohnes Paul Georg, seiner Schwiegertochter Grete und der Enkelin Martha gedacht. Max Rosenfeld entstammt einer Kaufmannsfamilie und gelangt als Tabakgroßhändler zu großem Vermögen. Früh hat die Familie den Ernst der Lage erkannt. Schon vor dem Novemberpogrom 1938 bemühten sich die Rosenfelds um Auswanderung aus Nazi-Deutschland. Paul Georg Rosenfeld ist seiner Verhaftung knapp entkommen; er konnte mit Frau und Kind über Amsterdam in die USA fliehen. Max Rosenfeld gelang zwar noch die Flucht nach Amsterdam. Doch die deutschen Besatzer haben ihn von dort in das Durchgangs- und Konzentrationslager Westerbork deportiert, wo er starb. Sein Vermögen, wozu auch Kunstwerke gehörten, haben die Nazis geraubt.

Max Rosenfeld hat sich nicht nur als Förderer der Kunst einen Namen gemacht, er hat zudem eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut. Werke von ihm gelangten in das städtische Kunstmuseum in Stuttgart. Im Rahmen einer Restitutions-Ausstellung sollen nun Werke an die Erben von Max Rosenfeld zurückgegeben werden. Zur Eröffnung der Ausstellung „Grafik für die Diktatur. Zur Geburtsstunde der Grafiksammlung des Kunstmuseums Stuttgart im Nationalsozialismus“ am 31. Oktober werden Nachfahren des Sammlers aus den USA anreisen. Jeff Ronald, Vertreter der Erbengemeinschaft Max Rosenfeld, wird sprechen. Der Eintritt zur Eröffnung ist frei, die Zahl der Sitzplätze ist allerdings beschränkt.

4 Stolpersteine für die Familie Schlüsselberg

In der Silberburgstraße 88 in Stuttgart-West (beim Hotzenplotz ums Eck/Eingang Limndenspürstraße) wird an das Schicksal der Familie Schlüsselberg erinnert. Gegen 11:45 Uhr werden dort 4 Stolpersteine für Chaskel, Chana, Frida und Heinrich Schlüsselberg verlegt. Chaskel Schlüsselberg wird 1901 in Polen geboren. Seit 1918 lebt er mit seiner Familie in Deutschland, im Stuttgarter Westen ist er heimisch geworden. In Zuffenhausen hat er sich mit einer Lumpensortieranstalt eine Existenz aufgebaut. Die Nazis zwingen ihn, seine Firma aufzugeben. Er wird Zwangsarbeiter. 1943 wird er vom Nordbahnhof aus nach Auschwitz deportiert. Seine Frau Chana und die 1936 geborene Tochter Frida hat dieses Schicksal schon ein Jahr früher ereilt. Ihre Spur verliert sich. Sohn Heinrich wird mit einem Kindertransport nach England geschickt – und überlebt.

Auch Chaskel Schlüsselberg überlebt das Terrorregime. Nach dem Todesmarsch wird er 1945 im Konzentrationslager Buchenwald befreit. In den USA baut er sich mit seiner zweiten Frau ein neues Leben auf. Chaskel Schlüsselberg stirbt 1976, seine mittlerweile geschiedene zweite Frau zehn Jahre später. Die gemeinsame Tochter Eleanor Reissa, eine New Yorker Schauspielerin, Sängerin und Autorin, kommt 1953 zur Welt. Sie hat die Geschichte ihrer Vorfahren erforscht. Mehr noch: Die Schauspielerin Reissa taucht als Seniorchefin Lilka Zweifler aus der preisgekrönten ARD-Serie „Die Zweiflers“, die Geschichte einer jüdischen Familie, tief in Themen wie Identität und Antisemitismus in der Gesellschaft ein.

Am Abend des 30. Oktober um 19:00 Uhr berichtet Eleanor Reissa im Hotel Silber, der ehemaligen Gestapo-Zentrale, im Gespräch mit Hilke Lorenz, Redakteurin von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, über ihre Familiengeschichte und ihr Leben. Anmeldungen unter anmeldung@hotel-silber.de.

1 Stolperstein für Daniel Hauser

Anlässlich der Wiedereinsetzung des wegen Bauarbeiten vorübergehend entfernten Erinnerungssteins für Daniel Hauser findet am 30. Oktober um 12:45 Uhr in der Corneliusstraße 4 in Stuttgart-Sillenbuch eine kleine Zeremonie statt. Hauser, Jahrgang 1858, wird in Rust geboren. Der Liebe wegen zieht er um 1890 nach Straßburg und gründet dort eine Tuchhandlung, die er bis 1918 führt. Zurück in Rust, engagiert er sich im Eisen- und Manufakturwarengeschäft, das sein Vater Abraham und dessen Bruder besitzen. Der Literatur- und Musikliebhaber Hauser zieht 1936 nach Stuttgart-Sillenbuch. 1942 wird er zunächst in einem jüdischen Wohnheim einquartiert. Wenige Monate später wird er nach Theresienstadt deportiert und ermordet. Sein einziger Sohn Arnold Ernst Hauser, ein bekannter Stuttgarter Kinderarzt, ist 1938 mit seiner Familie in die USA ausgewandert.

Routen mit Zeitplänen für die 44. Stuttgarter STOLPERSTEIN-Verlegungen am 30. Oktober 2024 und 26. November 2024

Gemeinschaftsverlegung (ohne Gunter Demnig) am 30. Oktober 2024 

Am Mittwoch, 30. Oktober 2024 werden im Rahmen einer Gemeinschaftsverlegung (ohne Gunter Demnig) mit Hilfe eines städtischen Bautrupps 8 Gedenksteine neu verlegt und ein Gedenkstein wieder eingesetzt. Die angegebenen Uhrzeiten beziehen sich deshalb hier nicht auf den Zeitpunkt der Steinsetzung, sondern auf die begleitenden Zeremonien, an denen auch Angehörige/Nachkommen der Familien Rosenfeld und Schlüsselberg teilnehmen werden.

Stolpersteine für Stuttgart am Mittwoch, den 30. Oktober 2024:

11:00 – 11:35

West

Gustav-Siegle-Str. 3

3 Steine für PAUL, GRETE und MARTHA ROSENFELD

 

 

 

 

11:45 – 12:25

West

Silberburgstr. 88
(beim Hotzenplotz ums Eck/Eing.Lindenspürstr.)

4 Steine für CHASKEL, CHANA, FRIDA und HEINRICH SCHLÜSSELBERG

 

 

 

 

12:45 – 13:00

Sillenbuch

Corneliusstr. 4

1 Stein für DANIEL HAUSER (Wiedereinsetzung)

 

 

 

 

16:00 – 16:15

Nord

Herdweg 63
(vor dem ZDF-Studio)

1 Stein für MAX ROSENFELD

 

 

 

 

 

Vorschau auf die Verlegung mit Gunter Demnig am 26. November 2024  

Am Dienstag, 26. November 2024 wird der Künstler Gunter Demnig, Initiator des europäischen Kunst– und Erinnerungsprojektes, wieder persönlich nach Stuttgart kommen, um 6 weitere Gedenksteine selbst zu setzen. Die angegebenen Uhrzeiten können nur eine grobe Orientierung für den geplanten Zeitpunkt der Verlegung sein. Verschiebungen lassen sich nicht ausschließen, Änderungen sind möglich. Die Begleitveranstaltungen beginnen in der Regel früher. Wer bei einer Steinverlegung dabei sein will, sollte sich deshalb frühzeitig vor Ort einfinden (bis zu 30 Minuten vorher) und die Mitteilungen der Stadtteil-Initiativen beachten!

Stolpersteine für Stuttgart am Dienstag, den 26. November 2024:

09:00 – 09:15

Ost

Stöckachstr. 28

1 Stein für ELISABETH SCHNECK

 

 

 

 

09:25 – 09:40

Mitte

Eichstr. 9

1 Stein für EMIL WILHELM STROHHÄCKER

 

 

 

 

10:00 – 10:15

Botnang

Beethovenstr. 26

1 Stein für GERHARD EGGENSPERGER

 

 

 

 

10:25 – 10:40

Feuerbach

Föhrichstr. 63

1 Stein für WILHELM STÄHLE

 

 

 

 

10:50 – 11:05

Zuffenhausen

Wattstr. 20

1 Stein für WILLY RETTICH

 

 

 

 

11:10 – 11:25

Zuffenhausen

Bönnigheimer Str. 34

1 Stein für HERBERT FRÖHLICH

 

 

 

 


Stolpersteine für Stuttgart: 
www.stolpersteine-stuttgart.de
S
tolperKunst – ein Projekt belebt Erinnerung: www.stolperkunst.de
Die Menschen hinter den Namen – Artikelserie: stuttgarter-zeitung.destuttgarter-nachrichten.de
Gedenken braucht Orte – ein Erinnerungsort für die Zukunft: www.hotel-silber.de
Stolpersteine in Europa – KunstDenkmal von Gunter Demnig: www.stolpersteine.eu

Download der Pressemitteilung hier