In dem Zwangsarbeiterlager „Heßbrühl“ in der Nähe der Heßbrühlstraße am Rand des früheren Industriegebiets von Stuttgart-Vaihingen waren von 1943 bis 1945 229 Zwangsarbeiter und 145 Zwangsarbeiterinnen untergebracht. Die 374 aus der Sowjetunion deportierten Menschen, die man als „Ostarbeiter“ und „Ostarbeiterinnen“ bezeichnete, mussten für elf Vaihinger Rüstungsbetriebe hart arbeiten und waren unter unmenschlichen Bedingungen in Baracken untergebracht. Drei im Lager geborene Zwangsarbeiterkinder starben dort. Solche Kinder galten im Nazi-Deutschland offiziell als „unerwünscht“ und wurden deshalb ernährungsmäßig, pflegerisch und medizinisch bewusst unterversorgt, was oft zu ihrem Tod führte. Die Eltern, die in den Fabriken arbeiten mussten, waren in einer hilflosen Lage.
Im April 2019 wurden vor dem Regierungspräsidium für zwei sowjetische Zwangsarbeiterkinder, die 1945 im Zwangsarbeiterlager „Heßbrühl“ in Stuttgart-Vaihingen gestorben sind, „Stolpersteine“ verlegt, zusammen mit einem so genannten „Kopfstein“, der an das Lager erinnert. Damals waren nur zwei im Lager geborene und gestorbene Zwangsarbeiterkinder bekannt.
Das in dem Lager geborene Mädchen Nina Radionowa lebte nur 22 Tage. Als Todesursache wurde in der Sterbeurkunde „Lebensschwäche“ vermerkt. Sehr wahrscheinlich haben Hunger sowie medizinische und pflegerische Vernachlässigung zum Tod des Kindes geführt. Ninas Vater, Iwan Radionow, musste in dem Aluminiumschmelzwerk Karl Schmidt in der Schockenriedstraße vom 01.08.1942 bis 31.03.1945 Zwangsarbeit verrichten.
Der ebenfalls im Lager „Heßbrühl“ geborene Knabe Witscheslau Maschkanow starb dort im Alter von sechs Monaten an Lungenentzündung. Seine Geburt ist in keinem Stuttgarter Standesamt beurkundet worden. Das Kind lebte somit inoffiziell und völlig rechtlos in dem Lager. Witscheslaus Mutter, Tamara Maschkanowa, stammte aus der russischen Stadt Kursk. Sie wurde im Alter von 19 Jahren nach Deutschland verschleppt und musste bei der Vaihinger Firma Stumpp & Kurz, die Schrauben herstellte, arbeiten.
Das Lager „Heßbrühl“ wurde in den Jahren 1942-1943 von der Stadt Stuttgart als „reichseigenes Barackenlager Vaihingen für ausländische Rüstungsarbeiter“ gebaut. Das Baugrundstück dafür mietete die Stadt Stuttgart von der Papierfabrik Lemppenau. Die Stadt vermietete das Lager an die „Gesellschaft für Ostarbeiter“ weiter, die die elf Vaihinger Firmen im Industriegebiet gegründet hatten. Diese Gesellschaft verwaltete in eigener Regie das Lager und war für die Unterbringung und Verpflegung der bei den Gesellschaftern beschäftigten „Ostarbeiter“ und „Ostarbeiterinnen“ zuständig.
Als Nachtrag wird jetzt noch ein dritter „Stolperstein“ für das im Lager geborene und gestorbene Zwangsarbeiterkind Anatol Bondorenko verlegt, geb. 18.03.1945, mangelnde Versorgung, gest. 29.05.1945, Todesursache: Lungenentzündung.
Recherche und Text: Dr. Karl-Horst Marquart, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Vaihingen