Menü Schließen

Wilhelm Friedrich Jäck, Zechweg 2

Wilhelm Friedrich Jäck wurde am 18. Mai 1904 in Stuttgart geboren. Er wohnte mit seinen Eltern und einer Schwester im Wachtelweg 2 in Heslach, dem heutigen Zechweg 2. Nach der Volksschule begann er zunächst eine Lehre als Elektriker, später lernte er Sattler und Tapezierer. Da er keine Arbeitsstelle fand, blieb er zuhause und half seinem Vater, der mit Alteisen und Papier handelte.

Im Frühjahr 1930 bekam er plötzlich Angstzustände, die sich so verschlimmerten, dass er ins Bürgerhospital Stuttgart eingewiesen wurde. Von dort kam er im September 1930 zum ersten Mal in die Heilanstalt Winnental.

Bald ging es ihm wieder besser und an Weihnachten 1930 wurde er nach Hause entlassen. Aber schon nach kurzer Zeit verschlimmerten sich die Depressionen wieder, so dass er im Juli 1931 in die Heilanstalt Christophsbad bei Göppingen eingewiesen wurde. Im Juni 1940 kam er mit anderen Patienten in die Anstalt Weissenau bei Ravensburg, wo er bis zum 5. Dezember 1940 blieb. An diesem Tag holten die berüchtigten „Grauen Busse“ 86 Menschen in Weissenau ab und brachten sie nach Grafeneck – am gleichen Tag wurden diese Menschen in der Gaskammer ermordet.

Am Dienstag, 12. November 2013 wurde im Zechweg 2 für Wilhelm Friedrich Jäck ein Stolperstein verlegt.

***

Massenmord auf der Schwäbischen Alb
Schloss Grafeneck bei Münsingen war ein Behindertenheim der Samariterstiftung. Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs haben die NS-Behörden die ebenso reizvoll wie fernab gelegene Anlage beschlagnahmt.


Als „Landes-Pflegeanstalt“ getarnt, wurde sie alsbald mit einer Gaskammer versehen. Daraufhin wurden 1940 in Grafeneck über 10.000 als „lebensunwert“ abgestempelte Menschen im Gas erstickt. Das Recht auf Leben hatte vor allem verwirkt, wer nicht oder nicht mehr arbeitsfähig war. Diese kühl kalkulierte Bilanz war jedoch nur die erste Welle nationalsozialistischer Euthanasiemorde.

Insgesamt sollten in sechs Vernichtungszentren des Deutschen Reiches über 70.000 geistig und körperlich Behinderte den Ausmerzungsplänen zum Opfer fallen. Darüber hinaus war die Euthanasie Vorspiel und Erprobung der millionenfachen Massenmorde in den Vernichtungslagern.

Stimmungsmache
In groß angelegten Kampagnen wurde vorgerechnet, welche unnützen Kosten unheilbar Kranke, Demente, Alkoholiker und Behinderte verursachen.

Lebensunwert?
Schon vor Hitlers Machtergreifung hat Zweckrationalität in Wissenschaft und Politik das gesellschaftliche Klima beeinflusst. Mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das 1934 in Kraft trat, war eine Entwicklung eingeleitet, die zunächst zum zwangsweisen „Gnadentod“ für Behinderte und Geisteskranke, später dann zur millionenfachen industriellen Tötung in den Vernichtungslagern führte.

Die Organisation der Morde
Geplant und organisiert wurde die Euthanasie-Aktion im Berliner Haus Tiergartenstraße 4. Von dieser Anschrift leitete sich der Deckname „T 4“ her. Ein Runderlass des Reichsinnenministers vom 9. Oktober hatte verfügt, die Heil- und Pflegeanstalten müssten Pfleglinge nach Krankheitsbildern und anderen Kriterien erfassen und melden.
Die Meldebögen wurden zentral erfasst und ausgewertet. Als „lebensunwert“ eingestufte Patienten wurden nach Grafeneck deportiert und umgehend im Gas erstickt. Es folgten die Verbrennung der Leichen und die bürokratische Nacharbeit durch ein Sonderstandesamt.

Obwohl das mörderische Geschehen mit willkürlichen Diagnosen, gefälschten Sterbeurkunden und anderen Maßnahmen verschleiert werden sollte, blieb es der Öffentlichkeit nicht verborgen. Protest und Widerstand regten sich dennoch erst spät. Einige wenige Anstaltsleiter weigerten sich, der Meldepflicht nachzukommen.
Zur Schließung von Grafeneck hat ein Protestbrief von Landesbischof Wurm beigetragen, der aber nicht verhindern konnte, dass ab Januar 1941 die Massentötung behinderter Menschen im hessischen Hadamar fortgesetzt wurde.

Auftrag Hitlers vom Oktober 1939 zu den „Euthanasie“ – Morden im Deutschen Reich (rückdatiert auf den 1. September 1939)

Die „Euthanasie“-Aktion, der erste Massenmord im Nationalsozialismus, fand außerhalb staatlicher Strukturen und ohne gesetzlich Grundlage statt. Ein auf den 1. September 1939, den Tag des Kriegsbeginns, datiertes Schreiben Hitlers auf Privatpapier musste als „Legitimation“ genügen.

Recherche und Text: Elke Martin
Fotos: Privat / Gedenkstätte Grafeneck