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Wilhelm Stähle, Föhrichstr. 63

Der Maler und Tapezierer Wilhelm Friedrich Stähle wurde am 6. Februar 1891 in Markgröningen geboren. Er heiratete am 19. Oktober 1929 die Maschinenfalzerin Helene Rosine Veigel, geb. am 22. Oktober 1904 in Stuttgart. Sie hatten eine Tochter, die 1930 geboren wurde.

Wilhelm Stähle war Oberwachtmeister bei der Luftschutzpolizei. Im März 1943 war er nach einem Fliegerangriff zu Löscharbeiten im Kaufhaus Breuninger eingesetzt. Nach dem Löscheinsatz wurde ihm „Plünderung“ vorgeworfen und am 5. November 1943 wurde er vom SS- und Polizeigericht XI zum Tod verurteilt. Die Verhandlung fand vermutlich – wie häufig bei diesem Gericht – in der Wannenstraße 16 in Stuttgart-Süd statt. Für diesen Verhandlungsort spricht auch, dass die Nachricht an die Witwe über die Hinrichtung von dort kam. Am 5. April 1944 um 6 Uhr 46 wurde Wilhelm Stähle auf dem Maschinengewehrstand auf der Dornhalde erschossen, also mehr als ein Jahr nach dem Vorfall. Das Urteil ist nicht erhalten. Die Akten bei seinem Anwalt sind bei einem Bombenangriff verbrannt.

Das Gebäude in der Wannenstraße 16 war im Besitz des Rechtsanwalts und Notars Dr. Robert Mainzer und seiner Frau Helene. Am 21. August 1942 wurde die Familie enteignet und am nächsten Tag mit mehr als 1000 anderen Jüdinnen und Juden vom Killesberg aus nach Theresienstadt deportiert. Beide wurden ermordet. Vor der Villa befinden sich Stolpersteine für sie.

Am 28. August 1954 beantragte die Witwe Stähles mit Unterstützung ihres Schwiegersohns Ewald Nömer Wiedergutmachung. Alles, was wir über die Ereignisse beim fraglichen Löscheinsatz bei Breuninger wissen, stammt aus dem Wiedergutmachungsverfahren. Allerdings widersprechen sich die Aussagen der Zeugen diametral.

Der Vorgesetzte von Stähle, Herbert Süsser, war auch Zeuge beim Prozess vor dem SS- und Polizeigericht XI gewesen. Er wurde am 11. März 1955 erneut befragt und schilderte, dass Wilhelm Stähle beobachtet wurde, wie er sich während des Löscheinsatzes bei Breuninger verschiedene Gegenstände angeeignet habe. Nach Rückkehr in die Unterkunft in Feuerbach habe er sie in seinem Kaninchenstall auf dem Gelände versteckt. Dort habe man dann ein Paar Kinderschuhe, einen Arbeitsmantel und einen weiteren Gegenstand gefunden, alle mit dem Firmenzeichen von Breuninger. Im Prozess soll er schließlich die „Plünderung“ gestanden haben.

Herbert Süsser war von Beruf Tapeziermeister und als Leutnant beim Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD) bzw. der Luftschutzpolizei eingesetzt. Nach eigenen Angaben war er nicht in der NSDAP.

Die Witwe Stähle schilderte die angebliche „Plünderung“ als eine Intrige des SHD-Manns Seuft. Ihr Mann sei dem NS-Regime kritisch gegenübergestanden und habe sich bei alkoholreichen Treffen in der Unterkunft entsprechend geäußert. Seuft habe ihn deshalb bedroht und ihm schließlich die Gegenstände untergeschoben. Seuft war bereits verstorben und konnte daher nicht befragt werden. Frau Stähle konnte an der Verhandlung nicht teilnehmen, weil sie zu dieser Zeit zu einer Krebsbehandlung in Heidelberg war.

Was wirklich vorgefallen war, lässt sich heute nicht mehr klären. Das Gericht folgte 1955 ohne jede Einschränkung der Aussage von Herbert Süsser und wies die Entschädigungsansprüche von Helene Stähle ab. Der Bescheid endet mit den Sätzen: „Auch Länder mit demokratischer Verfassung sehen für solche Fälle die Todesstrafe vor. […] Eine Verurteilung wegen Plünderns entbehrt des politischen Charakters.“

Ob Diebstahl oder Intrige – denn von Plünderung kann man ja in diesem Fall kaum reden: Aus heutiger Sicht ist es in jedem Fall ein Terrorurteil.

Am 26. November 2024 wurde in der Föhrichstraße 63 ein Stolperstein für Wilhelm Stähle verlegt.

 

Recherche und Text: Dr. Bertram Maurer und Hildegard Wienand, Stolperstein-Initiative Feuerbach/Weilimdorf
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I, Bü 35967, Stähle, Helene geb. Veigel
Stadtarchiv Stuttgart Familienregistereintrag Stuttgart, Wilhelm Stähle, Bd. 243, S. 496
Heiratsindex Stuttgart 1929, Nr. 2479