Friedrich Alexander wurde am 21.02.1869 in Altsohl in Ungarn geboren. Seine Frau Helene Hollitscher, geboren am 09.04.1882, stammte aus Versetz, dem heutigen Vršac in der Wojwodina – eine autonome Provinz in der Republik Serbien. Wann und wo sie geheiratet haben, ist nicht bekannt. Auch sonst wissen wir sehr wenig über ihr Leben.
Friedrich Alexanders Name taucht in den jährlich herausgegebenen Adressbüchern der Stadt Stuttgart erstmalig im Jahre 1894 auf, als Kaufmann mit einem Getreidekontor in der Schillerstraße 31. In den Adressbüchern der folgenden Jahre ist er – mit wechselnden Adressen – stets unter dem Geschäftszweig Getreidehandel und Futtermittelherstellung verzeichnet. Er wohnte von 1900-1909 im Parterre der Alleenstr. 23 und muss ein moderner Mann gewesen sein, hatte er doch bereits im Jahre 1900 ein Telefon mit einer dreistelligen Rufnummer. Im Jahre 1910 erfolgte ein Umzug in die Seestraße 99, wo er bis 1916 wohnte. Von 1917–1928 bewohnte er das zweite Obergeschoss in der Hölderlinstraße 32. Ab 1929 hatte er eine Wohnung im Erdgeschoss der Sattlerstraße 25.
Im Jahr 1908 übernahm Friedrich Alexander zusammen mit Josef Flegenheimer die Firma Albrecht Klenk, die Kraftfutter herstellte. Nach dem Ausscheiden seines Kompagnons gründete er gemeinsam mit Emil Daniel am 05.10.1910 eine offene Handelsgesellschaft mit Sitz in der Königstraße 46.
Diese Firma wurde im Jahr 1923 umbenannt in Alexander & Co. AG. Das Betriebsgelände befand sich in der Pragstraße 146 und 146a. Geschäftszweck war der Handel mit Getreide, Braugerste und -malz sowie die Herstellung von zuckerhaltigen Kraftfuttern aus Melasse und Getreide. Dieses höherwertige Kraftfutter wurde an Bauern verkauft, deren Vieh damit schneller heranwuchs.
Aus den Bilanzberichten ab 1927 wissen wir, dass die Geschäfte der Firma nur mäßig florierten; in manchen Jahren war ein kleiner Gewinn, in anderen ein Verlust zu verzeichnen. Letzteres galt besonders für die Jahre der Weltwirtschaftskrise ab 1930.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten am 30.01.1933 begann Hitler am 04.02.1933 damit, über die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ die Grundrechte einzuschränken, die Parteien und Gewerkschaften zu entmachten, den Föderalismus aufzuheben und so die NS-Herrschaft zu sichern. Mit dem Boykott jüdischer Geschäfte am 01.04.1933 begann die Diffamierung der jüdischen Mitbürger. Durch ein Bündel von Gesetzen sorgten die Nationalsozialisten für die soziale, rechtliche und wirtschaftliche Diskriminierung der Juden. Davon waren mit Sicherheit auch die Eheleute Alexander betroffen, die 1937 in die Robert-Bosch-Straße 2/I umzogen bzw. umziehen mussten.
Am 23.09.1937 verkauften Friedrich Alexander und Emil Daniel für 122.500 Reichsmark ihre Eigentumsrechte an der Fa. Alexander & Co. an den Generalbevollmächtigten der Württembergischen Melassefutterwerke, Schweigert. Dieses Unternehmen wurde damals gerade „arisiert“. Es hatte ursprünglich den früheren jüdischen Geschäftspartnern Albert und Josef Flegenheimer gehört.
Nach dem Krieg bezeichneten die Anwälte des Herrn Schweigert diesen Verkauf als reine Gefälligkeit, die nur durch die Fürsprache seiner damaligen Firmenbesitzer, die Gebrüder Flegenheimer, veranlasst worden sei. Darüber hinaus wurde nachgewiesen, dass der Kaufpreis deutlich überhöht war und dem realen Wert der Firma nicht entsprochen hatte. Im Vergleich mit anderen „Arisierungsfällen“ hätte Herr Schweigert beim Erwerb der Aktien deutliche Opfer erbracht. Überdies hätten die Herren Daniel und Alexander zu diesem Zeitpunkt noch frei über ihr Bankguthaben verfügen können. In welchem Maße dies tatsächlich der Fall war, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Im Adressbuch der Stadt Stuttgart von 1939 werden die Juden erstmals in einer separaten Judenliste geführt. Danach wohnten die Alexanders 1940 in der Rötestraße 4/II; für 1941 und 1942 ist die Hauptmannsreute 7/I vermerkt.
Auf welche Weise die Eheleute Alexander ihr Vermögen verloren, lässt sich anhand der Akten des Staatsarchivs nicht mehr überprüfen. Sicher ist jedoch, dass im Frühjahr 1938 alle Juden ihr Vermögen anmelden mussten, wenn es mehr als 5.000 RM betrug. Nach der Ermordung des Botschaftssekretärs Ernst von Rath in Paris und den folgenden Pogromen wurden am 12.11.1938 Verordnungen über Sühneleistungen der Juden erlassen, nach denen sie zunächst 20% und später sogar 25% ihres Vermögens an das Reich abzuführen hatten. Zusätzlich wurde am 21.02.1939 eine Anordnung erlassen, nach der die Stuttgarter Juden alle Wertsachen aus Gold, Silber und Platin sowie alle Edelsteine bei der Stuttgarter Pfandleihe abliefern mussten.
Am 09.03.1942 wurden Helene und Friedrich Alexander nach Dellmensingen bei Ulm in ein „jüdisches Altenheim“ – tatsächlich war es ein Massenlager für ältere Menschen – zwangsevakuiert. Ihren Hausrat müssen sie in der Hauptmannsreute 7/I zurück lassen.
Am 04.08.1942 starb Friedrich Alexander in Dellmensingen. 9 Tage später übergab das Standesamt Stuttgart das Familienregister des Ehepaars Alexander an das Standesamt in Dellmensingen, um diesen Tod aktenkundig zu machen.
Am 22.08.1942 musste sich Helene Alexander mit 939 anderen älteren Juden im Sammellager auf dem Killesberg einfinden. Sie alle wurden am folgenden Tag in einem Güterzug vom inneren Teil des Stuttgarter Nordbahnhofs aus nach Theresienstadt deportiert.
Schon am 21.08.1942 hatte die Geheime Staatspolizei der Südwestbank Stuttgart eine Verfügung zugestellt, nach der das Wertpapierkonto von Frau Alexander in Höhe von 130.600 Reichsmark an das Deutsche Reich fallen sollte.
Aus den Häftlingslisten des Lagers Theresienstadt geht hervor, dass Helene Alexander am 09.10.1944 von Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Dort ist sie im Alter von 62 Jahren ermordet worden.
Recherche & Text: Dr. Andreas Jacobi, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Nord.
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg und Stadtarchiv Stuttgart.