Die Allmeyers wohnten in der Eberhardstraße 49 in Stuttgart Mitte. Da sie keine eigenen Kinder hatten, kümmerten sie sich besonders liebevoll um ihre beiden Neffen Richard und Larry Pick, die heute in Mexiko und den USA leben. Vieles von dem, was wir heute noch über das Ehepaar wissen, verdanken wir vor allem dem Neffen Richard Pick. Er hat nicht nur schlechte Erfahrungen in Stuttgart gemacht. So erinnert er sich gut an den Vermieter seiner Tante, der auch Besitzer der Gaststätte „Horst“ war. Er war auch dann noch freundlich zu seinen jüdischen Mietern, als dies politisch schon schwierig war (siehe auch Ehepaar Paul und Emma Pick).
Alice und Leo Allmeyer lebten in „kleinen Verhältnissen.“ Leo war Kaufmann in derselben Branche wie sein Schwiegervater. Er verkaufte „Weißzeug“, wie man das damals nannte, gemeint ist damit vor allem Bettwäsche. Richard Pick erinnert sich, dass er immer früh aus dem Haus ging und erst sehr spät abends wieder heim kam, da der Großteil seiner Kunden auf dem Land lebte. Nach ihrer Hochzeit betrieben Alice und Leo Allmeyer ein Zigarren- und Zigarettengeschäft im Haus am Marktplatz 19, das seit den 1880er Jahren der Familie Baum gehörte.
Alice, die Tochter von Lina und Lazarus Baum, die ein Weißwarengeschäft am Marktplatz in Stuttgart hatten, war auch gezwungen, zu arbeiten, weil die Geschäfte für Juden immer schlechter gingen, vor allem auch als die kleine Rente, die Leo als Schwerkriegsbeschädigter aus dem 1. Weltkrieg bezogen hatte, seit 1939 nicht mehr ausgezahlt wurde. Zunächst konnte Alice bei dem Mann ihrer Schwester, dem Vater von Richard und Larry Pick, der ein kleines Bekleidungsgeschäft in Backnang besaß, als Verkäuferin arbeiten. Als Herr Pick sein Geschäft für billiges Geld verkaufen musste, war auch diese Einnahmequelle versiegt. Da hat es dann auch nicht mehr für Besuche im „Tonbildtheater“ gereicht, das ihrer Wohnung schräg gegenüber lag. Es war wahrscheinlich das billigste Kino seiner Zeit in Stuttgart. Für 20 Pfennige konnte man sich amerikanische Stummfilme mit deutschen Untertiteln ansehen. Die Zuschauer saßen auf einfachen Bänken, und hinter der Leinwand spielte jemand Klavier.
Auch Leo Allmeyer durfte sein Geschäft nicht weiterführen. Vorübergehend fand er eine Anstellung als Gärtner, musste die Tätigkeit aber wegen der Granatsplitter in seiner Schulter, eine „Erinnerung“ an den 1. Weltkrieg, wieder beenden.
Leo war ein großer Anhänger des VFB Stuttgart. So lange es ging, besuchte er fast jedes Spiel auf dem Wasen. Als der VFB 2:3 in Gelsenkirchen bei Schalke 04 verlor, war für seinen Onkel ein Trauertag. Leo Allmeyer nahm oft seinen Neffen Richard Pick mit ins Gottlieb-Daimler-Stadion, das damals Adolf-Hitler-Kampfbahn hieß. Als sie dort von einem früheren Bekannten („Er ist ein Jude, raus mit dem Juden!“) angepöbelt wurden, nahm er seinen Neffen bei der Hand und verließ das Stadion für immer. Trotzdem ließ ihn der VFB nicht los. Am Sonntagabend kaufte er sich beim Tagblattturm die „Grüne Sportzeitung“, die die aktuellen Ergebnisse enthielt.
Eine Gedenktafel auf dem Grab von Lazarus Baum erinnert an sie.
Alice und Leo Allmeyer wurden im August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alice starb dort kurze Zeit später am 12. Dezember 1942. Leo wurde nach Auschwitz weiter deportiert und dort im Mai 1944 ermordet.
Recherche und Text: Barbara Heuss-Czisch und Jenniver Lauxmann.
Finanzierung der Kleindenkmale: Richard Pick,Sierra Leone, Mexico
Quellen und Foto:
Stadtarchiv Stuttgart
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Staatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten