Karl Dentler wurde am 10. Februar 1906 geboren. 1932 heiratete er Maria Sackmann, geb. am 15. August 1904. Die Familie wohnte in Gaisburg im Wasserbergweg 8. Karl Dentler war u. a. bei dem Fellbacher Installateur Wilhelm Stoll und zuletzt bei Fa. Wilhelm Hilzinger in Stuttgart-Süd beschäftigt. Vom 18. März bis 24. Mai 1935 war er arbeitslos.
Ende Mai 1935 wurde Karl Dentler „wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ verhaftet. Vom 8. Februar bis 15. April 1937 saß er im Landesgefängnis Ludwigsburg. Von dort wurde er nicht etwa vor Gericht, sondern in das berüchtigte Straflager II “Aschendorf-Moor” gebracht.
Es war eines von 15 Konzentrationslagern im Emsland, westlich von Oldenburg nahe Papenburg gelegen. Es ging im April 1935 in Betrieb. Die ersten Konzentrationslager wurden von der SA gebaut und betrieben. Nach dem Röhm-Putsch übenahm die SS diese Funktion.
Der Aufenthalt im Konzentrationslager sollte die Häftlinge „fertigmachen“. Wolfgang Langhoff, selber ehemaliger Häftling und Autor des Buchs „Die Moorsoldaten“, nennt als wichtigste Mittel dazu: Hunger, Angst und Konkurrenz.
Hunger: das meint die Verausgabung durch den Zwang zu schwerer körperlicher Arbeit, ohne ausreichend Nahrung und Erholung.
Angst: das meint die ständige Bedrohung durch brüllende, prügelnde, bewaffnete Aufseher. Dazu kommt in vielen Fällen die verheerende Erfahrung der Folter. Zu diesem Zweck waren die Lager mit eigenen Arrestzellen und Folterkammern ausgestattet und die Aufseher waren entsprechend ausgesucht und ausgebildet.
Konkurrenz: das meint den sozialen Stress, mit 100 anderen Häftlingen den engen Raum der Baracke und den Arbeitstag zu teilen, sich ständig gegen Benachteiligung und oft auch gegen Gewalt durch Mithäftlinge wehren zu müssen. Der Autor Wolfgang Langhoff berichtet, dass gerade Häftlinge aus der Arbeiterbewegung anfangs aufgrund ihrer Wertvorstellungen und ihrer Disziplin so etwas wie eine solidarische Struktur unter den Häftlingen aufbauen konnten. Die bekämpfte die SS durch das Einschleusen ihrer V-Leute.
SA und SS gehörten zur Partei, nicht zum staatlichen Justizapparat. Sie arbeiteten aber eng mit Polizei und Justiz zusammen. So übernahmen einige Emsland-Lager anfangs auch Funktionen des Strafvollzuges.
Wichtiger wurde jedoch bald ihre Funktion nach dem „Schutzhaftgesetz“: die Polizei durfte unliebsame Personen unbefristet inhaftieren, ohne einen Tatverdacht oder Tatvorwurf vor Gericht bringen und beweisen zu müssen (*).
Nach zwei Jahren “Schutzhaft” im KZ Aschendorfer Moor wurde Karl Dentler erstmals vor Gericht gestellt. Er wurde zu weiteren vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die er im KZ Buchenwald verbüßen musste. Am 27. Dezember 1944 wurde er dort ermordet.
Der Stolperstein für Karl Dentler wurde am 1. April 2019 verlegt.
Die Inschrift lautet:
HIER WOHNTE
KARL DENTLER
JG. 1903
VERHAFTET 1937
GEFÄNGNIS LUDWIGSBURG
STRAFLAGER
ASCHENDORFER MOOR
1939 BUCHENWALD
ERMORDET 27.12.1944
(*) Eine für den Rechtsstaat ähnlich problematische Konstruktion ist die 2017 vom bayerischen Landtag eingeführte vorbeugende Inhaftierung von „Gefährdern“. Wer „Gefährder“ ist, definiert die Polizei nach einem Katalog, der keineswegs nur Terrorisnus, sondern weite Bereiche des Alltags-Strafrechts abdeckt. Im Unterschied zum Schutzhaftgesetz des dritten Reichs muss ein Richter die Inhaftierung alle 3 Monate mit seiner Unterschrift verlängern. Eine gerichtliche Überprüfung der Gefährdungseinschätzung ist jedoch auch in Bayern nicht vorgesehen.
Glücklicherweise ist die bayrische Polizei derzeit nicht mit der Gestapo vergleichbar. Doch unsere Wachsamkeit muss der Einführung von Strukturen gelten, die von künftigen Machthabern missbraucht werden können – und sich dann nicht mehr abschaffen lassen.
Die Innenministerien anderer Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, arbeiten an ähnlichen Polizeigesetzen.
Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost