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Leopold, Elisabeth, Fritz und Inge Einstein, Hölderlinstr. 37

Die Familie Einstein, die nicht mit dem berühmten Albert Einstein verwandt ist, hatte in der Hölderlinstraße ihren Lebensmittelpunkt.  Zuerst wohnte sie nahe am Hölderlinplatz, in der Hölderlinstraße 58, und ein paar Jahre später im Haus Nummer 37, Ecke Falkertstraße.

Zur Familie gehörten:
Leopold Einstein, der Vater.  Er wurde am 15. April 1895 in Laupheim bei Ulm geboren.  Am 26. April 1942 wurde er nach Izbica in Polen deportiert und ist seither verschollen.

Elisabeth Karoline Einstein, geborene Gerstmann, die Mutter. Sie kam am 20. Februar 1899 in Stuttgart zur Welt.  Ebenfalls am 26. April 1942 wurde sie nach Izbica deportiert und ist  gleichfalls verschollen.

Das Paar hatte am 3. Oktober 1922 in Stuttgart geheiratet.

Fritz Helmut Einstein, der älteste Sohn, ist am 9. Juli 1923 in Stuttgart geboren.  Er wurde am 19. August 1942 im Konzentrationslager Stutthof ermordet.  Über den Deportationszeitpunkt  werden unterschiedliche Angaben gemacht. Laut den amtlichen Dokumenten wurde er auch am 26. April 1942 nach Izbica deportiert.  Hingegen spricht sein Bruder Kurt-Werner von der Deportation am 1. Dezember 1941 nach Riga.

Ingeborg Felicia Einstein, die Tochter, geboren am 30. Januar 1928 in Stuttgart, wurde mit den Eltern nach Izbica deportiert.

Kurt-Werner Einstein, der zweite Sohn, ist  am 24. September 1924 in Stuttgart geboren.  Am 1. Dezember 1941 wurde er nach Riga deportiert.  Er überlebte 49 Monate in den Konzentrationslagern und kam 1945 nach Stuttgart zurück.  1947 wanderte er in die USA aus, wo er 1990 starb.

Leopold Einsteins Elternhaus stand in Laupheim.  Die Einsteins waren dort vor dem Ersten Weltkrieg eine vermögende Familie, die aber durch Krieg und Inflation verarmte.  Leopold war das zweite Kind von Louis Josef Einstein, geboren 1858, und Mathilde Einstein, geb. Einstein, geboren 1869.  Er hatte noch sechs Geschwister.  Zwei Brüder starben im Kindesalter.  Sein Bruder Max fiel 1918 als deutscher Soldat in Nordfrankreich.  Auch der jüngste Bruder Daniel Theodor wurde noch 1918 eingezogen. Die beiden Schwestern verheirateten sich in Mannheim, sie emigrierten noch in den 1930er Jahren und konnten wegen dieser frühzeitigen Auswanderung überleben. Auch Daniel Theodor entging der Ermordung: ein holländischer Widerstandskämpfer versteckte ihn auf dem Dachboden.  Leopolds Vater starb 1912 in Laupheim und seine Mutter 1925 in Mannheim.  Beide wurden sie in Laupheim beerdigt.

Leopold Einstein zog nach dem Ersten Weltkrieg, den er von 1914 bis 1918 als Frontkämpfer mitgemacht hatte, nach Bad Cannstatt.  Er war Kaufmann, wie schon Vater und Großvater, und übernahm am 1. März 1919 von seiner Tante Rose Levi, geb. Einstein, die Teilhaberschaft an der Firma Sigmund Levi, einer Alteisen- und Lumpenhandlung in der Schmidener Straße 43 in Bad Cannstatt.  Nach dem Ende dieser Teilhaberschaft am 31. Oktober 1930 machte er sich ganz selbständig und führte eine Lumpengroßhandlung beim Güterbahnhof, ebenfalls in Bad Cannstatt. Spätere Aussagen von Zeitzeugen bekunden “seine Beliebtheit und seine gütige Art” (Staatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten).
1938 mußte Leopold Einstein seinen Betrieb ohne Gegenleistung an einen bei ihm beschäftigten Arbeiter abgeben.

Elisabeth Karoline Einstein wuchs in Stuttgart auf.  Ihr Vater war der hochgeachtete Geheime Hofrat Prof. Dr. phil. Adolf Gerstmann (1855-1921), der ursprünglich  Abraham Josef hieß.  Er wirkte als  Dramaturg des Hoftheaters in Stuttgart und  war Verfasser vieler Bühnenwerke, Romane und Novellen.  Mit seiner Frau Caroline, geb. Uhlmann (1870-1937) wohnte er zunächst in der Alleenstraße (heute Geschwister-Scholl-Straße).  Seit 1919 lebte die Familie in der Hölderlinstraße 58 im Erdgeschoß.

Nach der Eheschließung von Elisabeth Gerstmann und Leopold Einstein 1922 wohnte das Paar zunächst in der Teckstraße 31 in Bad Cannstatt.  Schon bald zogen sie in die Wohnung von Karoline Gerstmann in der Hölderlinstraße 58 im Westen ein.

Durch die Einheirat von Leopold Einstein in die Familie Gerstmann, bekam er Zugang zu den “feinsten Familien Württembergs” (Entschädigungsakte).  Dies gab auch seinem Geschäft “Textil Leopold Einstein” ein gutes Renommee.  Das Geschäft ging gut, die Familie verfügte über genügend Einkommen.  Die drei Kinder hatten so die besten Voraussetzungen  hinsichtlich Erziehung und Ausbildung.  In der Familie Einstein waren eine Kinderschwester und noch andere Hausangestellte beschäftigt.  Seit 1931 wohnte die Familie dann in der Hölderlinstraße 37, auch im Erdgeschoß.  Es war eine große und sehr gut eingerichtete Wohnung. Sie führten ein offenes und gastfreundliches Haus. Auch als sie schon im Zuge der Umquartierung “Juden in jüdische Häuser” in einer viel kleineren Wohnung in der Rosenbergstraße 162 wohnten, lud das Ehepaar noch Menschen zum Kaffeetrinken und Kartenspielen ein.

Die Kinder Fritz, Kurt und Inge gingen zunächst in die Falkert-Schule und die beiden Söhne dann auf die Schloß-Realschule, Fritz seit 1933 und Kurt seit Ostern 1935.  Sie mussten im November 1938 die Schulen verlassen. Fritz war zu dieser Zeit 15, Kurt 14 und Inge 10 Jahre alt.

Nach dem Synagogenbrand vom 9. auf 10. November 1938 wurde Fritz zur Zwangsarbeit herangezogen und bei den Abbrucharbeiten der Synagoge beschäftigt.  Später arbeitete er als Lastwagenfahrer, ebenfalls in Zwangsarbeit.  Irgendwann versuchte Fritz, in die Schweiz zu fliehen. In Konstanz wurde er jedoch gefasst; zunächst aber wieder freigelassen.  Er wurde dann erneut verhaftet und  nach amtlichen Angaben am 26.4.1942 nach Izbica deportiert. Ermordet wurde er, laut dem standesamtlichen Eintrag, am 19. August 1942 in Stutthof bei Danzig.

Kurt-Werner Einstein, der überlebende Sohn, sagte später aus, dass sein Vater nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 etwa einen Monat lang im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war.  Seine Mutter wurde sogar über einen viel längeren Zeitraum im örtlichen Gefängnis in Stuttgart festgehalten.
1939 musste die Wohnung in der Hölderlinstraße 37 aufgegeben werden, und die Familie wohnte dann für etwa zwei Jahre in der Rosenbergstraße 162.  Kurt-Werner verließ um den Zeitpunkt des Umzugs die Familie, wie er später schrieb, wollte er diese entlasten.  Er wohnte jedoch bis zu seiner Deportation 1941 in Stuttgart.  Schließlich musste die restliche Familie 1941 in ein Zimmer in der Kernerstraße 11 ziehen.  Die Mutter kam zwei Tage vor dem Abtransport nach Izbica aus dem Gefängnis frei. 

Gemeinsam mußten Vater, Mutter und Tochter für den Transport nach Izbica zum Sammelplatz auf dem Killesberg.  Es wurden 278 Menschen abtransportiert, darunter die letzten jüdischen Stuttgarter Kinder.  Von da an gibt es keine Nachrichten mehr von Leopold, Elisabeth und Ingeborg Einstein.

Recherche und Text: Margot Weiß, Stolperstein-Initiative Stuttgart-West / Sommer 2008

Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart
Staatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten, Handelsregisterakte
Berichte von Theo Bohrmann