Siegfried Fleursheimer kam am 26. Juni 1864 in Breisach zur Welt. Mit seiner um fünf Jahre jüngeren Frau Lina, einer geborenen Richheimer, lebte der gelernte Kaufmann seit 1898 in der Militärstraße 49, der heutigen Breitscheidstraße. Fleursheimer war Teilhaber der Firma Heinrich Richheimer & Cie, Lederwaren und Reiseartikel, mit Sitz im Stuttgarter Westen.
Lina Richheimer starb am 17. Mai 1940. Der Witwer wurde am 2. März 1942 nach Buchau am Federsee umgesiedelt. Dort heiratete er am 29. Juli des gleichen Jahres die Witwe Hermine Mayer, die als Hermine Heli am 7. Mai 1876 in Vallendar bei Koblenz geboren war.
Die zwei alten Leute wurden am 22. August 1942 zusammen mit weiteren 937 zumeist betagten Menschen aus so genannten jüdischen Altersheimen vom Stuttgarter Nordbahnhof aus in das “Altersghetto” nach Theresienstadt deportiert, in großes Elend. In den überfüllten Gebäuden “fehlten die Öfen, die Lichtleitungen waren mit den Kontakten herausgerissen, die meist nicht spülbaren Aborte unbrauchbar. (…) In den Räumen und in den Höfen lagen Berge von Unrat. Ratten und Ungeziefer hatten sich eingenistet (…). Es fehlten Krankenhäuser und Krankenstuben. Man legte die Kranken auf die bloße Erde; oft blieben sie unbedeckt wie die Menschen in den übrigen Stuben. Die Menschen starben friedlos und unbehütet ohne Zuspruch, ohne freundlichen Blick. Dieser Jammer unterschied sich in nichts von dem Verenden in dem “Revier” eines Konzentrationslagers (…) es war ein namenloses Sterben.” (aus: H.G. Adler: Theresienstadt 1941 – 1945. Tübingen 1955, S. 106 f.). Auch Siegfried Fleursheimer starb bald nach der Ankunft am 7. September 1942. Seine Frau wurde mit den noch Überlebenden zur Vernichtung nach Treblinka transportiert.
Das Haus Breitscheidstraße 49 steht noch. Heute erinnert ein Stolperstein vor dem Haus an Siegfried Fleursheimer, der dort so lange Zeit lebte. Hermine Mayers (spätere Fleursheimer) gedenkt man mit einem Stolperstein in der Arminstraße 38 im Stuttgarter Süden.
Recherche und Text: Margot Weiß, Initiative Stuttgart-West, im September 2006
Grundlagen der Recherche:
– H.G. Adler: Theresienstadt 1941-1945.
– Maria Zelzer: “Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden”.
– Die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Baden-Württemberg 1933-1945.
– Theresienstädter Gedenkbuch.
– Israelitische Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern Stuttgart: Deportiertenliste Württemberg und Hohenzollern. (Stadtarchiv Stuttgart).
– Judenlisten 1939 bis 1941. Hg. Statistisches Amt der Stadt Stuttgart. 1939 bis 1942. (Stadtarchiv Stuttgart)
– Adressbücher der Stadt Stuttgart. (Stadtarchiv Stuttgart)
– Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Entschädigungsakten.
– Staatsarchiv Ludwigsburg. Entschädigungsakten.
– Joachim Hahn: Friedhöfe in Stuttgart. 3. Band. Pragfriedhof. Israelitischer Teil.