Isaak Isidor und Martha Fortgang, geb. Ausübel, wohnten in der Böblinger Straße 27 B zusammen mit ihren beiden Kindern Hermann und Ruth 9 Jahre lang, von 1930 bis 1939. Isaak Isidor war Buchhalter und Steuerberater, beschäftigt bei zwei Firmen, der Kurzwaren- Großhandlung Feldmann & Tanne (Kronprinzstraße 30-32) und der Kaufhaus-Gesellschaft Kadep (Tübinger Straße 6). Auch Martha Fortgang war dort als Sekretärin berufstätig.
Beide waren geboren in Galizien im damaligen Österreich-Ungarn, seit 1919 polnisch; er in Rudnik am 12.11.1896, sie in Huta Deregowska am 12.8.1898. Sie galten als polnische Staatsbürger. Darüber, ob Fortgangs von der “Polenaktion” betroffen waren, d.h. der Abschiebung am 28. Oktober 1938 nach Polen, gibt es gegensätzliche Berichte. Sicher aber wurden der Vater und der Sohn Hermann, geb. 1923, also 16 Jahre alt, am 11.9.1939 mit anderen aus Polen zurückgekommenen Juden verhaftet, erst auf den Hohenasperg, dann ins Schutzhaftlager Welzheim gebracht, am 20.12.1939 entlassen.
1939 konnte die Tochter Ruth, geb. 1927, also 12 Jahre alt, mit einem Kindertransport nach England entkommen. Sie sollte von dort in die USA reisen zu ihrer Tante Fanny Silverstein-Ausübel, die 1940 dorthin emigriert war. Doch dies war erst 1946 möglich, in New York heiratete sie später Fred Hermann. Als einzige Überlebende stellte sie die Anträge beim Amt für die Wiedergutmachung in Stuttgart, dessen Akten im Staatsarchiv in Ludwigsburg liegen und denen man einiges aus dem Leben der Ermordeten entnehmen kann.
Die Eltern hatten inzwischen den größten Teil der Wohnungseinrichtung in Kisten verpackt einer Speditionsfirma zur Lagerung übergeben, was damals viele Juden machten. Sie hofften auf eine Gelegenheit zur Auswanderung. Finanziell ging es ihnen schlecht. Die jüdischen Firmen als Arbeitgeber gab es nicht mehr. Herr Max Feldmann, der Firmenchef, war emigriert. Er war der Vorsteher einer orthodoxen jüdischen Religionsgemeinschaft innerhalb der liberalen Synagoge gewesen, die dieser sogar einen Betsaal eingerichtet hatte im Eckhaus Hospital-/Gartenstraße (heute Fritz-Elsas-Straße). Zu dieser orthodoxen Gruppierung hielt sich vor allem Martha Fortgang. Beide Fortgangs arbeiteten nun bei der jüdischen Gemeinde bzw. der Mittelstelle, der Restselbstverwaltung unter Aufsicht der Gestapo. 1939 wohnten sie in einer kleinen Wohnung in der Lindenspürstraße 35, 1940 zogen sie ins Haus von Anna Ausübel, der Mutter von Martha, in der Schloss-Straße 54.
Im Oktober 1941 wurde die Familie nach Buttenhausen evakuiert, in ein bereits voll belegtes jüdisches Haus. Die Städte sollten “judenfrei” sein. Am 1. Dezember 1941, nach sechs Wochen, kam die Deportation nach Riga, vom Sammellager auf dem Killesberg aus. Die Spur von Isaak Isidor, Martha und Hermann verliert sich. Im Sommer 1944 sollen sie noch im KZ Kaiserwald bei Riga gesehen worden sein. Ein Überlebender, Eric Schloß, schreibt 1948 aus New York:
“Soweit mir bekannt ist, kam Herr Isidor Fortgang bei der am 29. Juli 1944 erfolgten Aktion (eine der Liquidationen in Lettland) ums Leben. Ob seine Ehefrau bei dieser Aktion oder bei dem am 6. August 1944 erfolgten Transport in das Lager Stutthof bei Danzig dabei war, entzieht sich meiner Kenntnis.” Vom Sohn Hermann ist nicht die Rede. Nach Beschluss des Amtsgerichts vom 17.2.1948 wurden sie auf den 29.7.1944 für tot erklärt.
Recherche & Text: 05/2007, Irma Glaub und Elisabeth Tielsch, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Süd.
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Sadtarchiv Stuttgart. Foto: Jörg Munder