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Karoline und Albert Gerson, Theodor-Heuss-Str. 5

Karoline GersonAlbert GersonKaroline Ottenheimer, *27.03.1881 Ludwigsburg und Albert Gerson , *01.02.1878 in Kirchberg, Regierungsbezirk Koblenz lernen sich in Ludwigsburg kennen und heiraten hier am 26.6.1908. Anschließend zieht das Paar zunächst für 6 Jahre (1908 – 1913) in die Tübinger Straße 16. Dann, so weist es das Stuttgarter Adressbuch aus, ziehen sie für die Jahre 1914 – 1939 in die Rotestraße 5 um (heutige Theodor-Heuss-Straße) in das Haus von Bäcker Karl Friedrich Brehm und wohnen dort mit ihren beiden Söhnen Kurt und Adolph über der Bäckerei im 1. Stock.

Das Ehepaar Gerson hatte 4 Kinder: die Zwillinge Grete und Hans, geb. 9.1.1909. Beiden ist nur eine sehr kurze Lebensdauer beschieden: Grete stirbt bereits nach drei Wochen am 29.1.1909 und ihr Bruder Hans nach zwei Monaten am 9.3.1909. Die  Todesursache ist unbekannt. Am 2.01.1911 kommt als drittes Kind Kurt zur Welt und schließlich am 19.2.1916 Adolph (Joseph) das vierte Kind.

Albert besitzt seit dem Jahr 1905 in Stuttgart eine Herrenschneiderei. Im Jahr 1923 stellt er den Schneidereibetrieb ein und betätigt sich als selbständiger Vertreter in Baumwollwaren auf Provisionsbasis. Am 21.11.1932 eröffnet er die Schneiderei wieder und betreibt beide Geschäfte bis zum Jahr 1939, also bis zum Verbot durch die Nazis. Von 1939 – 1941 wird er gezwungenermaßen als Arbeiter beschäftigt.

Der Sohn Kurt ist noch unverheiratet, als er im Jahr 1939 von Hamburg aus nach Amerika auswandert. Sein Bruder Adolph wandert ebenfalls 1939 von Le Havre Richtung New York aus, einige Monate später folgt ihm seine Ehefrau Eva, geb. Oettinger.
Die Eltern ziehen für die Zeit von Herbst 1939 bis Anfang 1941 um in die Gutbrodstraße 89 in eine Zwangswohnung, in ein sog. „Judenhaus”. Danach müssen sie umziehen in die Rosenbergstraße 174 in ein „Judenhaus”, wo sie in einer Zwangswohnung zu leben haben. Ab dem 19. September 1941 müssen Karoline und Albert Gerson nach allgemeiner Bestimmung der Nazis den Judenstern tragen.

Am 27. November 1941 werden die Gersons von der Gestapo aufgefordert, die Zwangswohnung in der Rosenbergstraße 174 zu verlassen und sich zur Sammelstelle auf den Killesberg zu begeben. Sie dürfen nur einen Koffer mit den nötigsten Dingen mitnehmen. In der Halle der Reichsgartenschau auf dem Killesberg wird der 1. Judentransport organisiert, der dann am 1. Dezember 1941 den Stuttgarter Nordbahnhof in Richtung KZ Riga (Lettland) verlässt. Karoline und Albert gehören zu den über tausend Juden, die den Todeszug besteigen müssen.

Sie werden in dem Lager Jungfernhof interniert. Nach Aussage des Lagerarztes Dr. med. Ludwig Elsass (Ludwigsburg) vom 25.11.1946 in Sachen GR 148/46 beim Amtsgericht Künzelsau und nach den Ausführungen des Max Kaufmann in seinem Buch „Churbn Lettland” (Die Vernichtung der Juden Lettlands)(1) sind die Deportierten zum weitaus größten Teil am 27.03.1942 bei der so genannten „Großaktion Dünamünder Konservenfabrik”(2) ums Leben gekommen. Es ist daher mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch die bereits 60jährige Karoline Gerson und ihr 63jähriger Ehemann unter den Toten sind. Jedenfalls gelten sie seit diesem Tag als verschollen. Ihr Tod wird amtlich auf den 27. März 1942 festgesetzt.

Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach dem Krieg (10.6.1949) der Landesbezirksstelle für Wiedergutmachung auf deren Anfrage bescheinigt, bestand die letzte Wohnung des Ehepaares Gerson in der Rosenbergstraße aus Wohnzimmer, Esszimmer und Schlafzimmer nebst Möbeln und Zubehör. Die Möbel seien vom Finanzamt Stuttgart beschlagnahmt worden, nachdem die Verfolgten Stuttgart hätten verlassen müssen. Die Beschlagnahme sei auf Grund der Verordnung von November 1941 erfolgt. Nach dem Krieg mutmaßt das Landesamt für Wiedergutmachung, es sei davon auszugehen, dass eine behördliche Stelle oder eine NS-Organisation sich das Eigentum der Gersons angeeignet oder sich die Verfügungsgewalt darüber verschafft oder angemaßt habe. Nach späteren Ermittlungen stellt das Stuttgarter Amtsgericht fest, dass die von den Nazis beschlagnahmte Wohnungseinrichtung mit Zubehör nicht mehr aufzufinden sei. Es sei anzunehmen, dass die Möbel versteigert worden seien. Danach bestehe nur eine Ersatzforderung gegen das Deutsche Reich. Bis zur Feststellung von dessen Rechtsnachfolger werde beantragt, das Verfahren ruhen zu lassen. Soweit aus den Akten zu ersehen ist, wird das Verfahren nicht wieder aufgenommen. Es verläuft sozusagen im Sande, und die Erben der Ermordeten erhalten für den Verlust keine Entschädigung.

“Die Gersons waren einfache und liebe Leut und angenehme und hilfsbereite Menschen”, so beschreibt Doris Falch das Ehepaar Albert und Karoline Gerson. Was kann man Schöneres über Menschen aussagen? Doris Falch war mit den Gersons gut bekannt. Sie ist heute hochbetagt, wohnt in Stuttgart-Weilimdorf und hat dankenswerter Weise einiges zur Beschreibung der Lebensgeschichte von Karoline und Albert Gerson beigetragen.

1 Churbn Lettland: „Churbn” ist ein jiddisches Wort und kann mit „verbrannt” oder „Katastrophe” übersetzt werden. Das Buch von Max Kaufmann, im Selbstverlag, München 1947 erschienen, stützt sich auf eigene Erinnerungen und auch auf die seiner lettischen Schicksalsgenossen, die er im Lager für „Displaced Persons” in München befragte. Die erste und für fast 40 Jahre einzige Darstellung über den Holocaust in Lettland. Im Jahr 1959 wurde es von der Staatsanwaltschaft Hamburg nach  hinweisen für strafbares Verhalten von SS-Leuten und lettischen Bewachungsmannschaften in Gebieten von Riga und den KZs Kaiserwald und Jungfernhof ausgewertet. Einige neue Vorermittlungsverfahren wurden daraufhin eingeleitet. Ein Nachdruck, hrsg. von Erhard Roy Wiehn, erschien 1999 im Hartung Gorre Verlag, Konstanz.

2 Im Herbst 1942 wurde das Lager Jungfernhof bei Riga aufgelöst. Unter einem Vorwand, die Insassen kämen in ein – tatsächlich nicht existierendes – Lager Dünamünde, wo es bessere Unterkünfte und Arbeitsmöglichkeiten in einer Konservenfabrik gäbe, wurden zwischen 1.600 und 1.700 Gefangene mit Lastwagen in den Hochwald Bikernieki bei Riga
gebracht. Dort wurden sie am 27. März 1942 erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Recherche und Text:: Heinz Wienand
Quelle: für 1 und 2: http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Jungfernhof
Landesarchiv Ludwigsburg
Spender/Pate: Doris Falch, Stuttgart-Weilimdorf