Am 8. Mai 2007 wurde vor dem Haus in der Seestraße 89 ein Stolperstein in den Bürgersteig verlegt. Damit soll an das Schicksal von Helmut (“Helle”) Hirsch erinnert werden, der als Schüler mit seiner Familie von 1923 bis nach seiner Reifeprüfung am Dillmann-Gymnasium 1935 hier gewohnt und gelebt hat.
Helle Hirsch wird 1916 in Stuttgart geboren, seine Eltern wandern für kurze Zeit in die USA aus, Helle hält sich für einen US-Amerikaner. Schon als Gymnasiast tritt er der Bewegung Deutsche Jungenschaft vom 1.11.1929 (d.j.1.11.) bei, einer Gruppierung, die neben den Ideen der Jugendbewegung auch einen politischen Kurs mit dem Ziel eines sogenannten “Jungenstaates” verfolgt. Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wird die d.j.1.11. gleichgeschaltet und wirft ihr jüdisches Mitglied Helle Hirsch hinaus.
1935, nach seinem Abitur am Dillmann-Gymnasium, emigriert Helle Hirsch nach Prag und studiert dort Architektur. Er kommt in Kontakt mit der Gruppe um das ehemalige NSDAP-Mitglied Otto Strasser, der in Prag eine Widerstandsgruppe organisiert, da er in der Nazi-Partei das sozialistische Element vermisst. Von Prag aus versendet Helle Hirsch Rundbriefe mit der Aufforderung zum Widerstand. 1936 überredet ihn die von Spitzeln durchsetzte Gruppe um Otto Strasser zu einem Bombenanschlag auf eine Säule des Nürnberger Reichsparteitagsgeländes, einem rein symbolischen Akt, ohne Gefahr für ein Menschenleben. Der Überbringer der Bombe war Gestapo-Agent, schon auf dem Weg zu diesem Anschlag wird Helle Hirsch am 20. Dezember 1936 verhaftet, der Volksgerichthof verurteilt ihn am 8. März 1937 zum Tode. Das Gnadengesuch des US-Botschafters wird von Hitler persönlich abgelehnt. Helle Hirsch stirbt am 4. Juni 1937 in Berlin Plötzensee unter dem Fallbeil.
Helle Hirsch war ein aufrechter und vielseitig begabter junger Mann mit einer außergewöhnlichen und leider allzu kurzen Lebensgeschichte. Er ist ein Beispiel für eine Jugend zwischen freigeistigem Denken, dem Suchen nach Neuem und den politischen Wirrnissen der Zeit des Nationalsozialismus.
Recherche & Text: 05/2007, Josef Klegraf, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Nord.
Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg und Stadtarchiv Stuttgart.