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Clara Lehrs, Schellbergstr. 20

Clara Lehrs, Ernst Lehrs, Karl Schubert und das Überleben der behinderten Kinder im “Haus Lehrs” in der Schellbergstraße 20 in Stuttgart-Ost
März 2004.  Vor dem Haus in der Schellbergstrasse 20 verlegt Gunter Demnig einen Stolperstein für Clara Lehrs.  Ihren Name und ihr Schicksal hatte Gerhard Götze von der Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost in den Judenlisten des Hauptstaatsarchivs gefunden; mehr über sie war nicht bekannt.  Während der Verlegung erzählt eine Bewohnerin des Hauses Unglaubliches:  in diesem Haus seien während des ganzen Krieges etwa zwanzig behinderte Kinder vor dem Zugriff der Gestapo versteckt worden und so der Ermordung entgangen.
Haus LehrsDas klingt wie ein Märchen, wie die Geschichte vom Wolf und den sieben Geißlein.  Wir von der Initiative beginnen zu forschen, bekommen Hinweise, fragen uns durch zu Thomas Hilden, dem langjährigen Leiter der Degerlocher Karl-Schubert-Schule und erfahren, dass diese Schule hier in der Schellbergstrasse entstehen konnte, weil Clara Lehrs 1938 – nach der Schließung der Waldorfschule – den behinderten Kindern und ihrem Lehrer Karl Schubert das „Haus Lehrs“ als Zuflucht angeboten hatte.

Clara Lehrs, geborene Loewenthal kam zur Welt am 7. Oktober 1871 Residenzstädtchen Schwerin in Mecklenburg.  Ihr Vater war ein angesehener Getreidekaufmann.  Ihre Mutter war eine geborene van Dam, irgendwann aus Holland nach Hamburg eingewandert.  Clara wächst auf als eines von neun Geschwistern, heiratet Ernst Julius Lehrs, wird Gattin eines Mannes aus einer alteingesessenen Berliner Familie mit weit verzweigten verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Verbindungen.  Sie bekommt 1894 mit 23 Jahren ihr erstes Kind, Leopold Edgar, dem 1896 Katharina und 1901 Rudolph folgen.  Ihr Mann arbeitet im kaufmännischen Bereich einer Industriefirma.  Die beiden konvertieren zum Christentum.  Ihr ältester Sohn schreibt rückblickend, wie er „in einer Atmosphäre fraglosen Vertrauens in die Zivilisation der Zeit“ aufwuchs.  „Als ein hervorragender Repräsentant derselben stand für diese Sichtweise das damalige Deutschland da.  Zugleich damit erschien als ein wesentlicher Bestandteil des so aufgefassten Deutschtums das herrschende christliche Bekenntnis, das in diesem Gebiet das Evangelische war.  Um wirklich Zeitgenosse zu sein, wollte man daher im Sinne dieser Auffassung Christ sein. Demgegenüber erschien die mosaische Religion als eine der Vergangenheit angehörende, als solche nicht mehr zeitgemäße.“ (Lehrs, S. 14)

Im Ersten Weltkrieg zerbrechen die Selbstverständlichkeiten.  Claras Lehrs’ Mann – zeitlebens körperlich schwer behindert – muss seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und stirbt 1918 mit 56 Jahren einen qualvollen frühen Tod.  Ihr ältester Sohn Leopold Edgar, der sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte und Offizier wurde, kommt wie viele junge Menschen seiner Generation mit der Überzeugung aus dem Krieg zurück, dass die Gesellschaft, die sich in diesen Kriege führen ließ, von Grund auf geändert werden müsse.  Er entdeckt für sich Rudolf Steiner und die Anthroposophie, verlässt zum Leidwesen seiner Mutter die vorgezeichnete Laufbahn eines Naturwissenschaftlers und wird als einer der ersten Lehrer an die neu gegründete Stuttgarter Waldorfschule auf der Uhlandshöhe berufen.  Dieser Entschluss, nicht den erlernten Beruf zu ergreifen, schockt die Mutter.  „Wie hatte sie bis dahin in mütterlichem Stolz – und mit ihr die vielen Verwandten – auf ihren Ältesten als den möglichen künftigen Generaldirektor der Firma geblickt, an der mir eine feste Anstellung sicher war.  Welche Enttäuschung, in mir nur noch den ‚kleinen Schulmeister’ sehen zu müssen.“ (Lehrs S.40).  Die radikale Wende in seinem Leben unterstreicht er, indem er den Vornamen seines Vaters annimmt und so zu Ernst Lehrs wird.   Für Clara Lehrs – schreibt Ernst Lehrs in seinem Erinnerungsbuch – „endete die zweite Phase ihres Lebens in einer leidvollen Weise durch den frühen Tod ihres Mannes und das Aufhören einer ihr Leben sinnvoll erfüllenden Aufgabe.  Dazu kam die Sorge um mich angesichts der ‚Sturzgeburt’ des heimatlosen Teils meiner Seele im Jahre 1921.  Äußerlich trat ihr das entgegen in Gestalt meiner plötzlichen Namensänderung durch Annahme des Namens, mit dem sie gewohnt war, die Gestalt ihres verstorbenen Mannes zu verbinden.  (…) Mir blieb nicht verborgen, dass sie sich damals um die Verfassung meiner Seele ernstlich Sorgen machte.“ (S.37)
Umso belastender war das für sie, weil die Verbindung zwischen ihr und ihrem ältesten Sohn seit jeher sehr eng war.  „In meiner Primanerzeit“ – erinnert sich Ernst Lehrs – „verband meine Mutter und mich ein gemeinsames Bemühen, uns manche Kenntnis der kulturellen Errungenschaften der Menschheit anzueignen, die in ihrer Jugend außerhalb ihres Blickfeldes geblieben waren.  Oft war dies angeregt durch das, was ich in der Schule zu lernen bekommen hatte.  So erinnere ich mich, wie wir uns die verschiedenen historischen Baustile zur Anschauung brachten und sie uns auf Gängen durch die Stadt durch Beobachtung geeigneter Baulichkeiten zu vergegenwärtigen trachteten.“ (Lehrs S.36)


Jetzt wiederholt sich dieses Muster der Mutter-Sohn-Beziehung unter neuem Vorzeichen:  Ernst Lehrs versucht seine Mutter für seine neu entdeckte Weltsicht, die Anthroposophie, zu gewinnen.  Doch sie zögert jahrelang, bleibt skeptisch.  Er lädt sie zur pädagogischen Jahrestagung an der Waldorfschule nach Stuttgart ein.  „Ich hatte meiner Mutter nahe gelegt daran teilzunehmen, damit sie Rudolf Steiner einmal selber zu erleben bekam.“ (S.41)  Auf dieser Tagung entsteht der Plan, auf dem Lauenstein bei Jena die erste anthroposophische Stätte für Heilpädagogik zu begründen.  Der Initiator des Projektes, Albrecht Strohschein, bittet Clara Lehrs, den Gründern beim Aufbau und bei der Führung des Haushaltes zu helfen.  Zunächst schreckt sie vor der Verantwortung zurück, doch dann gibt ein sie sehr beeindruckendes Zusammentreffen mit einem elfjährigen seelisch behinderten Kind den Ausschlag.  Sie sagt zu und beginnt 1924 in dem neu eröffneten Institut zu arbeiten.  Doch sie bleibt reserviert.  Nach einem Besuch Rudolf Steiners auf dem Lauenstein schreibt sie ihrem Sohn einen verzweifelten Brief.  „Da hatte es Anweisungen und Erklärungen von ihm gegeben, die ihrem gewohnten Denken fremdartig, ja sinnwidrig erschienen.  (…) Sie könne nicht bejahen, was Rudolf Steiner da verschiedentlich gesagt habe, die jungen Freunde aber nähmen das alles gläubig hin.  Sie sehe nicht, wie sie angesichts dessen dort bleiben könne.“ (S.43)  Noch einmal gelingt es dem Sohn, seine Mutter zum Bleiben zu überreden.

Doch 1927 beschließt sie, ihre Tätigkeit auf dem Lauenstein aufzugeben und nach Berlin zurückzukehren.  Ernst Lehrs will das verhindern.  „Mir war klar: Das durfte nicht sein!“   Er schlägt seiner Mutter vor, nach Stuttgart überzusiedeln, ein Haus zu bauen, einen gemeinsamen Haushalt zu begründen und auswärtige Waldorfschüler dort in Wohnung und Pflege zu nehmen.  Zugleich soll das Haus ein Versammlungsort für die Freie Anthroposophische Gesellschaft werden.  Sie stimmt zu.  Die Erfahrungen auf dem Lauenstein lassen sie den Mut zu dem Vorhaben aufbringen.  Sie verkauft ihren Perlenschmuck, wird finanziell unterstützt von ihrem älteren Bruder und von einem alten Freund ihres Mannes und kann so ein Grundstück kaufen und den Bau eines großen Hauses in Auftrag geben.  „So kam es zur Errichtung des Hauses Nr. 20 in der Schellbergstraße unweit der Waldorfschule, vom Schülermund gerne das ‚kleine Goetheanum’ genannt.“ (S.50)   Im Frühjahr 1928 beziehen Mutter und Sohn das neue Haus:  Clara Lehrs hat ihr Wirkungsfeld gefunden und fühlt sich seit dieser Zeit zur Freude ihres Sohnes der Anthroposophie eng verbunden.

Ernst Lehrs charakterisiert seine Mutter als ein „still sonnenhaftes Wesen“, das „in Menschen in ihrer Umgebung eine Art heiterer Liebe zu ihr erweckte.  So erlebten es auf ihre Weise die Schüler der verschiedenen Altersstufen der Waldorfschule, die das Haus in den kommenden Jahren bevölkerten.  Sie fanden bei `Mutter Lehrs`, wie sie sehr gerne nannten, ein zweites, in einigen Fällen ihr eigentliches Heim.  Gerne kamen daher auch Freunde von ihnen aus ihren jeweiligen Klassen bei ihnen zu Besuch.“ (S.46)

Nach der Machtergreifung der Nazis geraten die Privatschulen und damit auch die Waldorfschulen unter Druck.  Die ersten Maßnahmen folgen dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.April 1933, mit dem alle politisch bedenklichen Beamten und alle „Nichtarier“ aus dem Staatsdienst entfernt werden sollen.  Dieses Gesetz wird analog auch auf die Lehrerschaft der Privatschulen angewandt, wobei zunächst jüdische Frontkämpfer ausgespart bleiben.  Hierauf beruft sich Ernst Lehrs in seiner Stellungnahme gegenüber der Schulleitung am 7. Februar 1934:  „Als Offizier des Kriegsheeres und Inhaber des Eisernen Kreuzes erster Klasse erachte ich es als meine unumstößliche Pflicht, mich unter Adolf Hitlers Wort zu stellen, demzufolge ich mir die volle deutsche Staatsbürgerschaft ‚durch mehr als vierjährigen Einsatz meines Lebens vor meinem Gewissen der Nachwelt gegenüber erworben habe auf dem Platze, auf dem sie allein zu erwerben ist, auf dem Schlachtfelde.’  Dieser Grundsatz ist durch ihn selber für das ganze deutsche Volk zu Ehren erhoben worden und seine Anwendung auf a l l e Deutschen Staatsangehörigen ist durch das Gesetz verkündet worden.“  Doch das Stuttgarter Kultusministerium besteht auf dem Ausscheiden der „nicht arischen“ Lehrer.  In der Hoffnung, dass damit die Weiterexistenz der Schule gesichert werde, gibt die Schulleitung dem Druck nach.  Mit Ernst Lehrs müssen drei weitere Lehrer die Schule verlassen:  Friedrich Hiebel, Alexander Strakosch und Karl Schubert.  Die Schulleitung kann am 13. Februar 1934 dem Kultusminsterium mitteilen: „Der Arierparagraph ist zur Durchführung gebracht.  Die vier nicht arischen Lehrer einschließlich der zwei Frontkämpfer stellen ihre Lehrtätigkeit ein.“
Ernst Lehrs wird arbeitslos und sieht für sich keine Zukunft mehr in Deutschland.  Über Holland emigriert er nach England, von wo er erst nach über 20 Jahren zurückkehren wird.  Seine Mutter bleibt in Stuttgart, fühlt sich „ihren“ Schülern verpflichtet, kann und will sich nicht von ihrem Haus und ihrer Aufgabe trennen.

Karl Schubert, der zweite Frontkämpfer unter den entlassenen jüdischen Waldorflehrern, gehörte wie Ernst Lehrs zur Gründergeneration der Stuttgarter Waldorfschule.  Er wurde 1889 in Wien geboren, seine Mutter war eine aus Böhmen zugezogene zum Katholizismus konvertierte Jüdin, in der Sprache der Nazis war er also Halbjude.  Er sprach sechs Fremdsprachen, als letzte hatte er in der Kriegsgefangenschaft Russisch gelernt.  Unzufrieden mit seiner Arbeit als Lehrer an einer privaten Handelsschule in Wien, bewarb er sich 1920 bei Emil Molt, dem Leiter der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik und Gründer der Stuttgarter Waldorfschule und wurde von Rudolf Steiner als Lehrer berufen.  Als 1921/22 die erste integrierte Hilfsklasse für lernschwache Kinder eingerichtet wurde, bekam er den Auftrag, diese zu leiten.  In ihr wurden die Kinder zusätzlich zum Regelunterricht stundenweise spezifisch gefördert.  Karl Schubert hat in der Arbeit mit behinderten Kindern seine Lebensaufgabe gefunden.  Diese will er sich auch nach seiner Entlassung nicht nehmen lassen.  Er richtet ein Gesuch an das Kultusministerium und bittet um die Erlaubnis zur Weiterführung der Hilfsklasse als Privatunterricht in einem Raum der Waldorfschule.  Dies wird ihm am 24.4.1934 genehmigt. Er bittet die Schulleitung „um die Bewilligung, in irgendeinem Schulraum die Kinder der Hilfsklasse unterrichten zu dürfen.  (…) Ich bitte dies so aufzufassen, dass ich schon sehr dankbar bin dafür, dass die Kinder der Hilfsklasse diesen Unterricht im Rahmen und im Raume der Waldorfschule haben dürfen, dass ich aber andererseits die Verpflichtung empfinde, das Lehrerkollegium durch meine Zugehörigkeit dazu nicht zu belasten.“ (Hanke, S.75)  Er kann seine Arbeit fortsetzen, doch die finanzielle Grundlage für den Lebensunterhalt seiner Familie hat er verloren.  Das Schulgeld, das ohnedies nur die Eltern der Hälfte der 18 Schüler aufbringen können, reicht nicht.  Die Familie hält sich mit Spenden von Freunden über Wasser.

1938 wird die Waldorfschule von den Nazis geschlossen.  Doch Karl Schubert möchte seine Arbeit mit den ihm anvertrauten Kindern nicht aufgeben.  Clara Lehrs bietet ihm und den Kindern ihr Haus in der Schellbergstrasse als Zuflucht an.  Der Unterricht kann im ganz privaten Rahmen fortgesetzt werden.  Es ist schwer erklärbar, warum Karl Schuberts Hilfsklasse vom Kultusministerium geduldet wurde.  Entging die Klasse dem Verbot, weil sie verwaltungsmäßig seit 1934 nicht mehr zur Waldorfschule gehörte?  Drückte jemand in den Behörden die Augen zu?  Es grenzt an ein Wunder, dass die teilweise schwer behinderten Kinder von den Nazis „übersehen“ wurden, welche seit Kriegsbeginn die Ermordung kranker und behinderter Menschen als so genanntes „lebensunwertes Leben“ systematisch betrieben.  Es gibt Aussagen von Eltern, die aus dieser Zeit berichten, dass sie ihre Kinder möglichst unauffällig in die Schellbergstrasse bringen mussten und nicht wussten, ob ihre Kinder am Nachmittag noch da waren.  Doch keines der Kinder wurde abgeholt, alle entgingen der Vernichtung und überlebten den Naziterror.  Kurz vor Kriegsende gerät Karl Schubert als Halbjude selber in Gefahr.  Im November 1944 wird er von der Gestapo aufgefordert, sich zum Abtransport in ein Arbeitslager in Bietigheim zu stellen.  „Eine Freundin der Familie, Frau Geraths kämpfte sich buchstäblich, mit einem ärztlichen Atttest versehen, bis zu dem verantwortlichen Gestapomann vor.  Sie wurde empfangen mit den Worten: ‚Sie kommen wegen diesem Drückeberger Schubert, der kommt als erster mit.”  Sie erreichte aber durch ihr energisches Auftreten, dass Schubert auf der Liste gestrichen wurde, aber mit der Bemerkung, dass er das nächste Mal mitkommt. Davor hat ihn wahrscheinlich das Ende des Krieges bewahrt.“ (Hanke, S.78f)

Clara Lehrs hatte dieses Glück nicht.  1939 ist sie gezwungen, das Haus für 30.000.- Mark an Dr. Emil Kühn zu verkaufen, einen Freund der Familie und Vorsitzender des Waldorfschul-Vereins.  Aus dem Erlös bezahlt sie die von Nazis geforderte Judenvermögensabgabe sowie die Sonderabgaben an die jüdischen Organisationen.  Zunächst kann sie weiter in einem Zimmer in der Schellbergstrasse 20 wohnen.  Im Städtischen Adressbuch 1941 ist sie jetzt als Klara Sara Lehrs registriert.  Ihr Sohn in England und ihr Bruder in den Vereinigten Staaten versuchen ihr zur Flucht zu verhelfen.  Die Auswanderung scheitert jedoch am Kriegsbeginn und am Kriegseintritt der USA.  Wie fast alle älteren jüdischen Bewohner Stuttgarts muss sie 1942 umsiedeln in eine der ländlichen jüdischen Gemeinden Württembergs.  Sie kann privat in Rexingen im Schwarzwald unterkommen.  „Liebevoll“ – schreibt Ida Lahusen im Nachruf zum 80. Geburtstag 1951 – „besuchte sie die hier angesessenen Juden und versuchte aus ihrer anthroposophischen Weltanschauung die Verzweifelten aufzurichten.“ Ihre letzten Mittel, 6264.- Mark, muss sie für den „Heimeinkauf“ im versprochenen „Altersheim“ im Osten aufbringen.  Am 22. August 1942 wird sie von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert und von dort aus dann am 29. September 1942 weiter in ein Vernichtungslager weiter östlich, wahrscheinlich nach Treblinka, wo sie sofort ermordet wird.

Nach Kriegsende setzt Karl Schubert seine Arbeit mit den behinderten Kindern in der Schellbergstrasse 20 fort.  Enttäuscht muss er akzeptieren, dass der Schulverein die Reintegration der Hilfsklasse in die wiedereröffnete Waldorfschule ablehnt und ihm nur eine bescheidene Unterstützung anbietet, die seinen Lebensunterhalt nicht sichert.  Er lebt weiter von Spenden.  1949 stirbt er.  Seither trägt die Schule seinen Namen. Noch zwanzig Jahre – bis zum Umzug nach Degerloch – haben behinderte Kinder im „Haus Lehrs“ ihre zweite Heimat.


Recherche und Text: Harald Stingele

Der Text über Clara Lehrs, Ernst Lehrs und Karl Schubert beruht auf folgenden Quellen:
• Gespräche mit Thomas Hilden und Iduna Pfeiffer-Nuzzo
• Ernst Lehrs, Gelebte Erwartung, J.Ch.Mellinger Verlag, Stuttgart 1979
• Hans Jürgen Hanke, Karl Schubert. Lebensbilder und Aufzeichnungen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2004
• Uwe Werner, Anthroposophen im Nationalsozialismus (1933-1945). Oldenbourg Verlag, München 1999
• Akten des Staatsarchivs Ludwigsburg, Bestand EL 350 Signatur BS/A 13650
• Dokumente zu Ernst Lehrs und Karl Schubert im Archiv des Bundes der Walddorfschulen:
– Stellungnahme von Ernst Lehrs gegenüber der Schulleitung der Waldorfschule vom 7. Februar 1934: 4.2.241
– Ausscheiden der „nichtarischen“ Lehrer der Walddorfschule 1934:
Freie Waldorfschule Stuttgart an das Württ. Kultusministerium vom 13. Februar 1934: 4.2.246
– Genehmigung für Karl Schubert, weiterhin in Räumen der Hilfsklasse „die zurückgebliebenen Kinder in der Hilfsklasse“ zu unterrichten:
Ministerialabteilung für die Volksschulen an das Bezirksschulamt Stuttgart vom 14.April 1934: 4.2.323
• Ida Lahusen, Nachruf auf Clara Lehrs zu deren 80. Geburtstag, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Nr.18, 1951
• Artikel über Karl Schubert und Ernst Lehrs in: Bodo v. Plato (Hrsg.), Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biografischen Portraits. Verlag im Goetheanum, Dornach 2003
• Wilhelm Uhlenhoff, Zur Geschichte des Lauensteins – Vom ersten anthroposophischen heilpädagogischen Heim. In: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Jg. 2000, S.115-123 und S.212-224

• Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, RGBl I, S. 175

Literaturangaben:

Jens Heisterkamp, Anthroposophen und ihre Institutionen im Nationalsozialismus, Aktion Kinder des Holocaust, www.akdh.ch
Uwe Werner, Anthropsophen im Naionalsozialismus (1933-1945). Oldenbourg Verlag, München 1999
Hans Jürgen Hanke, Karl Schubert. Lebensbilder und Aufzeichnungen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2004
Ernst Lehrs, Gelebte Erwartung, J.Ch.Mellinger Verlag, Stuttgart 1979