Der Textilfabrikant Daniel Sigmund Mayer und seine Frau Else, geb. Weinstock gehörten zum bürgerlichen Unternehmertum der Stadt, bis die Herrschaft der Nazis ihnen zum Verhängnis wurde.
Sigmund und Else Mayer stammen aus Badener und schwäbischen Kaufmanns- und Handwerkerfamilien. Elses Vater Simon Weinstock, der nach kurzer Arbeit als Lehrer in den Kaufmannberuf wechselt und 1879 eine Fabrik für Herrenoberbekleidung gründet, kommt 1885 nach Stuttgart. 1907 kann er Teile des Hauses Blumenstraße 2 erwerben. Das Anwesen in einem gut bürgerlichen Viertel in Zentrumsnähe ist gut geeignet, um Familie und Fabrikation unter demselben Dach unterzubringen – ein heute wieder modernes Lebenskonzept der kurzen Wege.
Simons Tochter Else heiratet kurz nach dem Ersten Weltkrieg den Kaufmannsohn Sigmund Mayer. Das junge Glück ist für damalige Verhältnisse schon ziemlich angejahrt, denn Sigmund ist 40 und Else 36 Jahre alt, als sie sich das Jawort geben. Zwar bleibt die Ehe kinderlos, doch geschäftlich geht es bergauf. Während der Weimarer Republik gedeihen die Geschäfte, und Sigmunds ökonomisches Know-How ist in der Weinstockschen Textilfabrikation gern gesehen. Nach der Heirat zieht Sigmund zu Else in deren Elternhaus in die Blumenstraße, und wird 1924 auch Teilhaber der Firma Weinstock. Sigmund ist nun Arbeitgeber und Kompagnon eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmers.
Dann beginnt die Herrschaft der Nationalsozialisten, die alles jüdische Leben systematisch zugrunde richten. Jüdische Unternehmen wie die Firma Weinstock werden boykottiert, die Inhaber verlieren nach und nach alle Rechte.
Am 9. November 1938 brennen Nazi-Trupps in Stuttgart, wie in ganz Deutschland, die Synagogen nieder und plündern jüdische Wohnungen und Geschäfte. Sigmund Mayer wird, wie viele Tausend andere, „aufgrund von Rasse und Glauben“ durch die Gestapo inhaftiert und für drei Wochen ins KZ Dachau verschleppt.
Bald folgt die völlige Enteignung. Nachdem man ihnen allen Besitz und alle staatsbürgerlichen Rechte genommen hat, müssen Else und Sigmund Mayer nach Haigerloch umziehen. Dort leben sie vom 10.10. – 27.11.1941 im Haag, Haus Nr.234 (heute Im Haag 45).Die Bedingungen sind erbärmlich, wie für alle der in Haigerloch zusammengepferchten Juden. Mit solchen Zwangsumsiedlungen reißen die Nazis die Entrechteten aus ihren sozialen Bezügen, kontrollieren sie und bereiten ihre endgültige Entfernung aus Deutschland vor.
Kurze Zeit später bekommen Else und Sigmund Mayer die Aufforderung, sich für die Abfahrt „nach dem Osten“ bereitzuhalten. Sie müssen sich pünktlich am Stuttgarter Killesberg in der „Ländlichen Gaststätte“ einfinden, und werden für einige Tage zusammen mit tausenden weiteren Juden im provisorischen Sammellager in den Messehallen untergebracht. In diesen Tagen drehen die Nazis am Killesberg einen kurzen Film, der die ordentliche Manier der gesamten Operation glaubwürdig machen soll: Alles verläuft gesittet und gut organisiert, es gibt warme Suppe, und ein Möbelwagen transportiert die Koffer mit den Namen der Auszubürgernden. Selbstverständlich werden die Deportierten für ihren Abtransport zur Kasse gebeten. Die Bahnfahrt in Viehwaggons von Stuttgart nach Riga lassen sich die Nazis von ihren Opfern bezahlen, mit 57,65 Reichsmark pro Person.
Am ersten Dezember 1941 werden auf diese Weise etwa 1.000 Menschen aus Stuttgart abtransportiert. Fast alle werden ermordet.
Es gibt keine Zeugnisse über die genauen Todesumstände von Else und Sigmund Mayer. Nach dem Krieg wird im sogenannten „Wiedergutmachungs“ – Verfahren der 1.12.1941 als ihr Todesdatum festgelegt. Else Mayer wurde 58, Sigmund Mayer 62 Jahre alt.
Sigmunds Bruder Ferdinand Mayer, der in Frankfurt a. M. lebte, wird im Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und stirbt dort an den mörderischen Lebensbedingungen im April 1942.
Elses Schwester Rosa (*11.08.1880, Göppingen) lebte als Ehefrau von Leopold Maier (*02.06.1874, Rastatt) in Krefeld-Uerdingen. Sie wird zusammen mit ihrem Mann am 25.07.1942 ins Ghetto KZ Theresienstadt deportiert, wo Leopold Maier am 25.03.1943 ermordet wird. Dort stirbt zwei Monate später, am 19.5.1943, auch die gemeinsame Tochter Hildegard Karoline Maier (*1.12.1904, Krefeld). Ein Jahr später, am 15. Mai 1944, wird Rosa nach Auschwitz transportiert, wo die Nazis auch sie ermorden. Elses Bruder Alfred kann nach New York flüchten.
Die Quellen zum Schicksal der Familien Mayer enthalten die Schreibweisen „Mayer“ und „Maier“.
Recherche: Gebhard Klehr, Initiative Stolpersteine S-Mitte; Victoria Gommez, 11. Klasse Heidehof Gymnasium; Klaus Maier-Rubner, Göppingen.
Unterstützung: Ulrike Pott; Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Stadtarchiv Stuttgart; Homepage Bundesarchiv / Gedenkbuch sowie Homepage judaica -alemania Synagoge von Heidelsheim);Dr. Aron Tänzer (Göppinger Rabbiner und Chronist): ‘Juden in Jebenhausen und Göppingen’
Redaktion: Andreas Langen (Stand vom 02.03.2016)