Hans Karl Perlen wurde am 5. April 1891 in Stuttgart geboren. Er stammte aus einer angesehenen jüdischen Familie in Esslingen. Beruflich arbeitete er als Handelsvertreter. Von 1907 bis 1911 war er in St. Étienne bei Lyon in Frankreich tätig und anschließend in Plauen im Vogtland. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat und erhielt als Auszeichnung die Württembergische Silberne Verdienstmedaille. Doch 1936 musste er seinen Beruf aufgrund seiner jüdischen Herkunft aufgeben. Auch seine Frau Fanny, geborene Hammel, war jüdischer Herkunft. Die Beiden hatten am 14. Februar 1922 geheiratet. Es war von Beginn an keine glückliche Ehe. Fanny Perlen trat 1929 der Neuapostolischen Kirche bei. Das Ehepaar hatte einen gemeinsamen Sohn namens Alfred, der am 13. Juli 1925 geboren wurde. Die Ehe wurde am 19. August 1937 schließlich geschieden. Auch nach der erzwungenen Aufgabe seines Berufes ging es Hans Karl Perlen finanziell nicht schlecht, denn er hatte von seinen Eltern ein nicht unbeträchtliches Vermögen geerbt und konnte von den Zinseinnahmen leben.
Schon vor seiner Scheidung war Perlen eine neue Beziehung eingegangen. Seine Freundin hieß Elsa B. und wurde 1912 geboren; sie war also 21 Jahre jünger als Perlen. Doch das neue Glück wurde jäh zerstört. Seine Partnerin war nach der nationalsozialistischen „Rassentheorie“ eine „Arierin“. Und nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 waren Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und „Ariern“ als „Rassenschande“ unter Androhung von Zuchthausstrafen verboten. Hans Karl Perlen wurde zu über einem Jahr Zuchthaus wegen „Rassenschande“ verurteilt, weil er gegen das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935“ verstoßen hatte. Am 30. Juni 1938 musste er sich von seiner Wohnung abmelden. Die Haftstrafe verbüßte er bis zum 8. Mai 1939 im Zuchthaus Ludwigsburg.
Perlen hatte 1938 noch ein stattliches Vermögen von etwa 65.000 Reichsmark. Schon 1938 gab es jedoch Pfändungen wegen der Prozess- und Gerichtskosten. 1939 musste er eine hohe Summe an „Judenvermögensabgabe“ in vier Raten zahlen. Die gesamten Mobilien wurden nach seiner Wohnungsabmeldung von der Spedition Weber in der Calwer Straße 36 eingelagert. Als seine Braut im Sommer 1939 einzelne Gegenstände im Auftrag von Perlen holen wollte, darunter Wäsche, teilte ihr die Frau des Spediteurs mit, dass das gesamte Mobiliar von der Gestapo als „jüdisches Vermögen“ beschlagnahmt worden sei.
Vermutlich Anfang 1941 wurde Perlen von der Reichsvereinigung der deutschen Juden in ein landwirtschaftliches Lehrgut in Frankfurt an der Oder gebracht, damit er dem Konzentrationslager entging. Danach kam er in ein Arbeitslager in Fürstenwalde, schließlich wurde er in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und im Juli 1943 in das Konzentrationslager von Warschau verlegt. Dort bekam er im Januar 1944 Flecktyphus und verstarb am 31. Januar 1944. Mit anderen Schicksalsgenossen wurde auch sein Leichnam verbrannt. Das ergaben die Nachforschungen seiner traurigen Braut.
Als der Sohn des Ehepaares, Alfred Perlen, nach dem Krieg in der Schweiz gefragt wurde, ob er nach Deutschland zurückkehren wolle, antwortete er mit „Nein“, welches Wort er dreimal unterstrichen hatte und fügte hinzu: „Alle meine Anverwandten sind in Deutschland umgekommen, ich habe niemand mehr.“ Dem verwaisten jungen Mann gelang am 28. April 1951 die Emigration in die USA. Er fand in New York eine neue Heimat, wo er 1996 im Alter von 71 Jahren verstarb. In den USA lebte schon sein gleichnamiger Onkel Alfred Perlen senior, der auch aus Esslingen kam. Er konnte noch mit seiner ebenfalls neuapostolischen Frau Martha Maria, geborene Kempf, im März 1940 in die USA auswandern. Das Ehepaar hatte sich in Detroit niedergelassen, das 800 Kilometer Luftlinie von New York entfernt ist.
Auch die Mutter von Alfred Perlen, Fanny Perlen, geborene Hammel (22.02.1894-01.12.1941) fand einen furchtbaren Tod. Sie war am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert worden. Zum Zeitpunkt ihrer Deportation lebte sie nicht mehr zu Hause, denn Fanny Perlen war im Juli 1939 in das „Judenhaus“ in der Wernlinstraße 6 in Stuttgart gebracht worden, weg von ihrem Wohnort und ihrer neuapostolischen Kirchengemeinde in Esslingen. Ihr genaues Todesdatum konnte nie ermittelt werden.
Recherche und Text: Dr. Karl-Peter Krauss, Elke Martin
Quellen: Hauptstaatsarchiv Stuttgart; Staatsarchiv Ludwigsburg; Hahn, Joachim: Jüdisches Leben in Esslingen. Geschichte, Quellen und Dokumentation. Esslingen am Neckar 1994.