Rudolf Rathgeb ist ein Opfer der abscheulichen „Kindereuthanasie“ der Nazis. Am 24. Januar 1944 wurde er im Alter von nicht einmal zwei Jahren wegen einer Gehirnmissbildung in der „Kinderfachabteilung“ des Städtischen Kinderkrankenhauses Stuttgart in der Birkenwaldstraße 10 // Türlenstraße 22a ermordet
Die Familie Rathgeb war 1940 von Ellwangen nach Stuttgart gezogen und blieb bis 1944 hier im Hause, Knollstraße 38, im 2. Obergeschoss wohnen. Das Haus war an Postbedienstete vermietet. Vermieter war die Landesbaugenossenschaft Württ. Verkehrsbeamter und Arbeiter e.G.m.b.H. Die Gebäude haben den Bombenkrieg überstanden. Rudolfs Vater, Vinzenz Rathgeb, war Postbetriebsarbeiter, er wurde später zur Wehrmacht eingezogen und gilt als vermisst. Rudolfs Mutter, Maria Rathgeb, geb. Handschuh, kümmerte sich um die Familie.
Behinderten-Medizin zur Nazi-Zeit. Schon 1939 war eine Organisation geschaffen worden, die körperlich und geistig behinderte Kinder bis zum Alter von drei Jahren streng geheim erfasste. Hebammen und Ärzte wurden verpflichtet, solche Kinder zu melden. Den Eltern wurde nahegelegt, ihre Kinder „zur Behandlung“ in „Kinderfachabteilungen“ zu geben, in denen eine „Therapie“ möglich wäre.
Hier in Stuttgart war Obermedizinalrat Dr. Lempp als Leiter des Städtischen Kinderkrankenhauses bereit, Kinder mit solchen Leiden zur „entsprechenden Behandlung“ aufzunehmen. Für 55 Kinder bedeutete dies den Tod. Man verabreichte den Kindern eine Überdosis des Medikaments „Luminal“, was zu ihrem Tode führte (Vgl. Karl-Horst Marquart, S. 105, in: Stuttgarter NS-Täter, 2009).
Rudolf Rathgeb war laut Sterbeurkunde des Standesamtes Stuttgart vom 25. Januar 1944 an einer Gehirnatrophie verstorben. Die behandelnde Ärztin Dr. med Roswitha Doch unterschrieb im „Leichen-Register“ und bescheinigte eine Lungenentzündung (Pneumonie) als Todesursache.
In der Knollstraße 38 erinnert seit dem 1. April 2019 ein Stolperstein an das kurze Leben von Rudolf Rathgeb .
Text und Recherche: Karl-Horst Marquart