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Sofie, Josef, Giesela, Pauline, Josef Maria und Donatus Schneck, Stöckachstr. 28

Wo sich heute ein großes Betriebsgelände erstreckt, standen bis Kriegsende einfache hölzerne Reihenhäuser mit improvisierten Gärten dazwischen. Hier wohnte die Familie Schneck, und sie lebte gerne hier. Mit den Nachbarn verstand sie sich gut. Die Kinder spielten mit den Nachbarskindern in den Gärten. Vater Josef handelte mit Geigen und antiquarischen Noten. Seine Heilkräuter-Kenntnisse waren bei Krankheiten gefragt. Ihm und seiner Frau Sofie war eine gute Bildung ihrer Kinder wichtig, wozu auch Klavier- und Gesangsunterricht gehörten. Freunde fanden die Kinder im St.-Nikolaus-Kindergarten und in der Ostheimer Schule. Elisabeth besuchte mit ihrem Bruder Donatus, einem ungewöhnlich begabten und sportlichen Jungen, die gleiche Klasse der Ostheimer Schule. Sie gingen gerne dort hin, bis einzelne Lehrer begannen, die Sinti-Kinder zu drangsalieren.

Im Spätwinter 1943 erhielt Josef Schneck die Warnung vor einer drohenden Verhaftung. Die Familie flüchtete sich zu den Großeltern nach München. Doch am 13. März 1943 wurde die ganze Familie samt Großeltern nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Das dortige “Zigeunerlager” hatte den Zweck, die im Reichsgebiet von der Polizei aufgegriffenen Sinti und Roma zu vernichten. Das Lager bestand aus 32 Pferdestall-Baracken, die mit 3-stöckigen Pritschen vollgestellt waren. In eine Baracke wurden bis zu tausend Menschen gepfercht. Die Lagerleitung ließ die meisten Menschen durch Krankheit und Hunger sterben, die Übrigen durch Gas.
Bald nach ihrer Ankunft musste Familie Schneck das Sterben der dreijährigen Renate hilflos mit ansehen. “Opapa, ich will Broti, Butti, Zucki” war ihr letzter Satz vor dem Hungertod.
Der 19-jährigen Elisabeth Schneck gelang es, zu fliehen und unterzutauchen. Nach Kriegsende musste sie feststellen, dass ihre gesamte Familie tot und sie die einzige Überlebende war:
– Vater Josef, geboren am 21. März 1881, wurde am 13.Juni 1943 in Auschwitz ermordet.
– die Mutter, geboren am  1. Juli 1894 als Sofie Köhler, wurde am 29. April 1944 in Auschwitz ermordet.
– Schwester Paula, geboren am 29. Juni 1917, wurde am 9. Oktober 1943 in Auschwitz ermordet.
– Paulas kleine Tochter Renate, geboren am 13. Mai 1940 in München, verhungerte noch im März 1943 in Auschwitz.
– Bruder Donatus, geboren am 3. März 1925, wurde bei der Bombardierung der Gustloff-Werke am 24. August 1944 in Buchenwald getötet.
– Schwester Gisela, geboren  am  20. Februar 1927, wurde am 27. September 1943 in Auschwitz erschlagen.
– Bruder Josef Maria, geboren am 8. August 1930, wurde am 29. April 1943 in Auschwitz ermordet.
Rechnet man ermordete Verwandte aus anderen Städten hinzu, fielen 30 Mitglieder der Familie dem Rassenwahn der Behörden zum Opfer.

In Anwesenheit der einzigen Überlebenden, Elisabeth Guttenberger, geb. Schneck, wurden die Stolpersteine am 14. März 2008 verlegt.

Die Inschriften lauten:

HIER WOHNTE HIER WOHNTE HIER WOHNTE HIER WOHNTE HIER WOHNTE HIER WOHNTE
JOSEF SCHNECK SOFIE SCHNECK GEB. KÖHLER PAULINE ‘PAULA’ SCHNECK DONATUS SCHNECK GISELA SCHNECK JOSEF MARIA SCHNECK
JG. 1882 JG. 1894 JG. 1917 G. 1925 JG. 1927 JG. 1930
DEPORTIERT 13.3.1943 DEPORTIERT 13.3.1943 DEPORTIERT 13.3.1943 DEPORTIERT 13.3.1943 AUSCHWITZ-BIRKENAU DEPORTIERT 13.3.1943 DEPORTIERT 13.3.1943
ERMORDET 1943 IN ERMORDET 29.4.1944 IN ERMORDET 9.10.1943 IN BUCHENWALD TOT 24.8.1944 ERMORDET 27.9.1943 IN ERMORDET 29.4.1943 IN
AUSCHWITZ-BIRKENAU AUSCHWITZ-BIRKENAU AUSCHWITZ-BIRKENAU LUFTANGRIFF AUF GUSTLOFF-WERK II AUSCHWITZ-BIRKENAU AUSCHWITZ-BIRKENAU

Heute setzt Elisabeth Guttenberger sich dafür ein, dass Sinti-Kinder eine optimale Bildung erhalten. Dazu hat sie den Verein “Bildung für Sinti und Roma in Ravensburg e.V.” gegründet.

Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost