Artikel aus der Nord-Rundschau vom 11.11.2006:
Sechs Stolpersteine gegen das Vergessen
Mahnmale erinnern an das Schicksal Feuerbacher Nazi-Opfer
Feuerbach. Aus geschätzten Nachbarn wurden über Nacht gnadenlos Verfolgte. Zur Erinnerung an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die einst auch in Feuerbach wohnten, sind im Stadtbezirk Stolpersteine vor den Häusern der Naziopfer gesetzt worden.
Von Georg Friedel
Eine Idee zieht Kreise. Wie Steine, die ins Wasser geworfen werden. Die Aktion Stolpersteine hat nun auch in Feuerbach Fuß gefasst. Gestern gegen 13.20 Uhr waren die ersten Klopfzeichen in der Tannenäckerstraße zu hören. Gunter Demnig aus Köln griff zu Spachtel und Hammer, um den ersten Feuerbacher Stolperstein vor dem einstigen Wohnhaus von Marianne Scholz an der Tannenäckerstraße 33 einzupassen. Sie sang an der Stuttgarter Oper und wurde wegen ihrer jüdischen Herkunft im KZ ermordet.
Elke Martin und Heinz Wienand haben in akribischer Detailarbeit und in monatelanger Archivarbeit die Biografien und Spuren der vergessenen Nachbarn und Feuerbacher Naziopfer recherchiert. Sie erinnern die Anwesenden an das Unrecht, das hier einst geschah. Sie berichten, wie die mit dem Charlottenkreuz dekorierte Opernsängerin im Alter von 84 Jahren von der Gestapo aus ihrem Haus in der Tannenäckerstraße 33 geholt und einen Tag später nach Theresienstadt deportiert wurde. Die Feuerbacherin sei im KZ Theresienstadt buchstäblich verhungert, berichtet Elke Martin. Währenddessen hat Demnig den Stein in den Bürgersteig vor dem Haus eingelassen.
Schüler der Klasse 10 der Bismarckschule waren mit ihrer Klassenlehrerin Ramona Klüglein zu der Stolperstein-Verlegung gekommen und legten Rosen auf die helle Platte aus Messing. Auch Bezirksvorsteher Helmut Wiedemann, Revierleiter, Peter Geyer und Stadträtin Silvia Fischer nahmen an der Verlegung teil.
Am Ende bat Wienand die Gruppe, die sich um den Stein versammelt hatte, um eine Minute des stillen Gedenkens an das schreiende Unrecht, das Marianne Scholz widerfahren ist.
Für Jeannette Sigler und die anderen Schülerinnen und Schüler der Bismarckschule ist die Verlegung ein Stück nachträgliche Wiedergutmachung für das unbeschreibliche Unrecht, das den Opfern des Naziregimes angetan wurde. Ergriffen, traurig, aber auch mit Interesse habe sie die Stolpersteinverlegung verfolgt, sagte Sigler. “Wir behandeln in der Schule im Geschichtsunterricht gerade die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und das Thema Rechtsextremismus und Neofaschismus”, berichtete die Hauptschullehrerin Ramona Klüglein. Deshalb habe sie erst kürzlich die beiden Feuerbacher Stolperstein-Initiatoren an die Schule eingeladen. Demnig hatte sich diesmal vorgenommen, insgesamt 61 Stolpersteine in zwei Tagen in ganz Stuttgart zu verlegen. “Er macht das alleine und lässt es sich nicht nehmen”, sagte Wienand. Inzwischen habe er weit über 9000 Steine in 190 Städten gesetzt.
In Feuerbach bekamen neben Marianne Scholz diesmal auch Max Wolf, Ludwig und Rosalie Weinberg, Helene Wöhr und der Widerstandskämpfer und KPD-Stadtrat Jakob Kraus einen Stolperstein. Sein Haus befand sich an der Klagenfurter Straße. Dort steht nun gut lesbar auf einem der etwa zehn auf zehn Zentimeter großen Messingtafeln eingraviert:
“Hier wohnte
Jakob Kraus
Jg. 1904
Gestapohaft 11.9.1942
Gefängnis Stuttgart
Ermordet 27.1.43″
Aktualisiert: 11.11.2006, 06:03 Uhr