Am Mittwoch, 18. Juli 2007 wurde an der Filiale der Baden-Württembergischen Bank (BW-Bank) in Zuffenhausen eine Gedenktafel für drei evangelische Pfarrfamilien enthüllt, die während der NS-Zeit als Juden verfolgte Mitbürger versteckten. Einst stand in der Unterländer Straße 65 das ehemalige evangelische Pfarrhaus, in dem die Bedrohten Unterschlupf fanden.
Bis zu 6 Wochen konnten Personen in einem Privathaus aufgenommen werden, bevor sie der Polizei gemeldet werden mussten. Zentral gesteuert wurden die Aufnahmen von Otto Mörike in Flacht. Hermann Pineas, der 1944 einige Wochen im Pfarrhaus von Wilhelm Gümbel aufgenommen und versteckt wurde, berichtete nach dem Sturz des NS-Regimes: ?Ich wurde dort und im gleichen Hause bei der Pfarrerswitwe Elisabeth Kirschmann und bei Pfarrer Dr. Werner sehr gastlich aufgenommen und verlebte dort eine schöne Zeit, nicht zuletzt durch mehrere Begegnungen mit meiner Frau in Tübingen. Dr. Werner ließ sich gerne von mir über das Judentum belehren.? (Aus: Martin Widmann, Untergetauchte Juden 1942 bis 1945 und ihre Helfer, in: Blätter für Württ. Kirchengeschichte 103 (2003), S. 257-290.)
In ihrer Begrüßung meinte Inge Möller, es sei ein Grund zur Freude und Stolz, der mutigen Zuffenhausener Pfarrer zu gedenken, die unter Gefahr für das eigene Leben, Menschen versteckt und gerettet haben. Sie sagte weiter:
?Mich hat eine Aussage aus dem Talmud sehr beeindruckt: ?Wer einen Menschen rettet, der hat die ganze Welt gerettet.??
In seiner eindrucksvollen Rede betonte Pfarrer Kümmel:
?Viele Gemeindeglieder, aber auch Pfarrer und Professoren der Theologie ließen sich davon blenden: mit dem Nationalsozialismus sei eine neue Zeit der ?Volksmission? angebrochen. Deutschland werde nun wieder ein christliches Land. Sicherlich gab es auch die andere Seite, die ?Bekennenden Kirche?. Die aber war vielfach mit sich selbst beschäftigt, vor allem auch zur ?Judenfrage? hat sie geschwiegen, nicht protestiert. In der Judenfrage haben die ?verständigsten Leute ihren Kopf und ihre Bibel gänzlich verloren? (Bonhoeffer 14. April 1933).
Die Ev. Kirche ist vor Hitler ?auf dem Bauch gelegen?. Es waren singuläre, einzelne Gestalten, Persönlichkeiten die stehengeblieben sind, die Widerstand geleistet haben: Es waren mutige, aufrechte Christen.?
Und weiter:
?Wir wünschen uns als Kirchengemeinde, dass es ein lebendiger Gedenkort wird: ?
Wir leben an einem Ort (Zuffenhausen) mit vielen Kulturen, vielen Religionen, unzähligen Konfessionen.
Solch ein Gedenkort ist Mahnung: dass niemand wegen seinem Anderssein, wegen seinem Glauben, wegen seiner Verschiedenheit, ausgegrenzt, entwürdigt wird.
Solch eine Gedenktafel ist für uns alle Mahnung: wenn wir nachher weitergehen, allen Anfängen der Entwürdigung von Menschen zu widerstehen. Das beginnt manchmal schon mit lockeren Sprüchen am Stammtisch, oder auch mit billigen Witzen in der Straßenbahn auf Kosten anderer (immer noch Juden, Muslime, behinderte Menschen).
So freuen wir uns als Kirchengemeinde, dass an diese widerständigen Familien erinnert wird. Orte des Gedenkens, Orte des Erinnerns sind wichtig. Vergangenes aufrechtes Verhalten wird in die Gegenwart hereingerufen- das Gewissen dadurch geschärft.?
Initiiert wurde die Gedenktafel von Pfarrer Kammerer, landeskirchliches Archiv Möhringen, die Vorarbeiten für ihre Enthüllung hatten die Zukunftswerkstatt Zuffenhausen e.V. sowie die Stolperstein-Initiative Zuffenhausen übernommen.
Gestaltet wurde die Tafel vom Plieninger Künstler Markus Wolf, sie ist mit folgendem Text versehen:
Hier war früher das Evang. Pfarramt. 1944 wurde hier u. a. der Jude Hermann Pineas von den Pfarrfamilien Gümbel, Kirschmann und Werner versteckt.
An der feierlichen Enthüllung nahm unter anderem der Landesrabbiner der israelitischen Religionsgemeinschaft Netanel Wurmser teil. Es sprachen Margot Riegger, Leiterin des Privatkundengeschäfts der BW-Bank in Feuerbach/Zuffenhausen, Pfarrer Kümmel, evangelische Gemeinde Zuffenhausen, Bezirksvorsteher Wolfgang Meyle, Pfarrer Kammerer über die Ereignisse in der NS-Zeit und Inge Möller vom Verein Zukunftswerkstatt e.V. Im Anschluss wurde ein Ausschnitt aus dem Film ?Mut ohne Befehl ? über den Widerstand gegen die NS-Diktatur in Stuttgart? gezeigt, in dem eine Tochter von Pfarrer Gümbel berichtet.
Das Spendenkonto des Vereins Zukunftswerkstatt e.V. für diese Aktion lautet:
Zukunftswerkstatt e.V., Sonderkonto Gedenktafel, BW-Bank, Konto 2487573, BLZ 60050101