Friedrich Orth wurde am 29. August 1898 in Steinsfurt, heute ein Stadtteil von Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis in Baden, geboren. Friedrich Orth erlernte den Beruf eines Flaschners. Mit seiner ersten Frau hatte er nach dem Kirchenbuch drei Kinder. Das Ehepaar konvertierte 1926 in Mannheim zur Neuapostolischen Kirche. Seine am 22. November 1897 zur Welt gekommene Frau Klara, geborene Burkhardt, verstarb am 5. Juli 1930 im Alter von nur 32 Jahren, nur wenige Tage nach dem Umzug nach Stammheim. Ein knappes Jahr danach heiratete Friedrich Orth die Witwe Mathilde Trübendörfer in Stammheim kirchlich am 3. Mai 1931. Die beiden jüngsten Kinder brachte er in den neuen Haushalt mit. Auch Mathilde hatte ein Kind aus ihrer ersten Ehe. Das Ehepaar wohnte in der damaligen Mörikestraße 24, heute Frobeniusstraße, in Stuttgart-Stammheim.
Am 22. November 1934 wurde Friedrich Orth in die psychiatrische Abteilung des Bürgerhospitals in Stuttgart eingewiesen. Die Diagnose lautete Progressive Paralyse, eine Spätfolge einer Syphilis-Erkrankung. Dabei kam es zu fortschreitenden Lähmungserscheinungen und Demenz. Man unternahm den Versuch, den Krankheitsverlauf mit einer Fieberkur positiv zu beeinflussen. Doch in der Abschlussuntersuchung wurde eine verwaschene Sprache, Desorientierung, weitgehender Gedächtnisverlust diagnostiziert. Dies, obwohl er in der Schule zu den besten Schülern gehört hatte.
Seine Ehefrau schilderte ihren Mann als gutmütig, aber betrachtete die Eheschließung als großen Fehler, da Friedrich Orth ständig arbeitslos gewesen sei. Zwei Versuche der Arbeitsaufnahme führten nach drei Tagen zu einem Zusammenbruch. So habe er den ganzen Haushalt versorgt. Doch in der letzten Zeit habe sich sein Zustand so verschlechtert, dass er nur noch schlecht sprechen und gar nicht mehr schreiben konnte; Sätze könne er nicht mehr bilden.
Die nächsten Stationen des Leidensweges von Friedrich Orth bestehen fast nur aus einem Datengerüst: Am 26. Februar 1935 wurde er in die Heilanstalt Christophsbad-Göppingen aufgenommen. Am 12. September 1938 kam er in die Heilanstalt Weissenau im heutigen Landkreis Ravensburg. Zwei Jahre später, am 28. August 1940 wurde er im Rahmen der „Aktion T4“ nach Grafeneck verbracht und wurde dort noch am gleichen Tag ermordet. Am nächsten Tag wäre er 42 Jahre alt geworden.
Der Name „Aktion T 4“ basiert auf einer Ende 1939 in Berlin errichteten geheimen Organisation. Ihre Adresse war die Tiergartenstraße 4, daher der Begriff „T 4“. Hier wurde anhand der Patientenakten bis August 1941 über Leben und Tod entschieden. Zwischen 1939 und 1945 wurden ca. 200.000 Frauen, Männer und Kinder aus psychiatrischen Einrichtungen des Deutschen Reichs in mehreren verdeckten Aktionen ermordet. Allein aus Weissenau wurden 1940 und 1941 691 Patienten mit Bussen nach Grafeneck deportiert und ermordet.
Stolpersteinverlegung am 4. März 2022 in der Frobeniusstraße 24 (früher Mörikestraße).
Recherche und Text: Dr. Karl-Peter Krauss
Quellen:
Archiv NAK-Süd, Kirchenbuch Stuttgart Stammheim, KB B00374; Kirchenbuch Mannheim KB B01493
Staatsarchiv Ludwigsburg, Patientenblätter, F 235 III Bü 613
Stadtarchiv Stuttgart, Akten Bürgerhospital 1721-1987, Friedrich Orth