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Albert Feit, Sophienstr. 23 A

Albert FeitAm 10. Januar 1944 konnte Albert Feit nicht mehr. Er hatte in seinem Leben so viel Leid ertragen müssen, dass es für mehrere Leben gereicht hätte. Als die Gestapo schon in seiner Wohnung war, um ihn zu einem Transport nach Theresienstadt abzuholen, nahm er sich in Gegenwart der Beamten mit einer Zyankalikapsel das Leben. “Flucht in den Tod” heißt es auf dem Stolperstein. Auch in der jüdischen Religion gilt der Selbstmord als Sünde, nicht so bei Menschen, die sich den Nazis durch Selbsttötung entzogen, diese gelten als Märtyrer.

Sein Haus war inzwischen zum “Judenhaus” geworden, in das  die nationalsozialistische Stadtverwaltung viele Juden auf engstem Raum zwangseinquartiert hatte. So war er mit unermesslichem Elend jahrelang konfrontiert und wusste sicher sehr genau, was die Zukunft ihm bringen würde.
Albert Feit war von Beruf Juwelier und Silberschmiedemeister. In besseren Zeiten betrieb er ein Einzelhandelsgeschäft für Juwelen, Gold- und Silberwaren.

Albert Feit wurde am 16. Januar 1868 in Wien geboren. Er kam nach Stuttgart und heiratete hier die evangelische Witwe Luise Rehn, geborene Obenland, die einen Sohn und eine Tochter mit in die Ehe brachte. Die Feits bekamen dann noch zwei Töchter. Die “relative” Sicherheit, die Albert Feit durch seine “privilegierte Mischehe”, wie diese von den Nationalsozialisten genannt wurde, genoss, währte allerdings nicht lange. Schon am 16. August 1933 starb seine Frau. Da er als Jude sein Geschäft nicht mehr führen durfte, wurde es am 1. Januar 1940 geschlossen. Später konnte es seine “arische” Stieftochter Luise Rehn wieder öffnen und so die Familie kurze Zeit über Wasser halten, bis es wieder geschlossen wurde, da mit “Luxuswaren” nicht mehr gehandelt werden durfte. (Siehe Nachtrag).

1940 hatte ein weiterer Schicksalsschlag die Familie getroffen. Die Tochter Klara, die von ihrer Schwester Elsa als “nervenkrank an den Folgen des Ersten Weltkrieges” bezeichnet wurde, fiel dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer. Sie war von Winnenden nach Grafeneck verbracht worden, wo sie am 30. Mai vergast worden war. Für sie wird neben ihrem Vater ein weiterer Stolperstein gesetzt werden.
Auch die zweite Tochter Elsa überstand die Schreckenszeit nicht folgenlos. Sie war “nervlich sehr schwach”, wie Rechtsanwalt Ostertag bestätigte. Er war einer der wenigen jüdischen “Rechtskonsulenten” gewesen, die in der nationalsozialistischen Zeit noch die Interessen ihrer jüdischen Mitbürger vertreten durften und überlebt haben. Er hat nach dem Krieg versucht, ihr zu einer kleinen Entschädigung zu verhelfen, da sie fast mittellos war und die Jahre bis zu ihrem Tod in verschiedenen Heilanstalten u. a. auch in Winnenden verbrachte.

Viel ist von den Ersparnissen von Albert Feit nicht übrig geblieben, da er eine “Judenvermögensabgabe” hatte leisten müssen. Seine Stieftochter, Luise Rehn, hat sich offensichtlich nach Kräften bemüht, dem jüdischen Teil ihrer angeheirateten Familie zu helfen, wie ihr Nachlass zeigt, denn sie ist leider schon vor dem Ende der NS-Zeit am 11. April 1944 gestorben. In ihrem Testament hat sie nicht ihren “arischen” Bruder, sondern ihre “halbjüdische” Schwester als Erbin eingesetzt.

Stolpersteine Feit Albert und KlaraRecherche und Text: Franz Hergenröder und Jennifer Lauxmann, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Mitte.

Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart, Hauptstaatsarchiv Stuttgart. 
Staatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten, auch Passbild von Albert Feit.

Spender/Pate
für Albert Feit: Michael Ralf Brenner, Stuttgart;
für Klara Feit: Helmut G. Haasis und Geschwister, Reutlingen. 

Nachrag: Auszug aus der 2012 erschienenen Dokumentation über Hans Rehn von Wolfgang Kress:

„Hans Rehn, Maßstäbe für die Zukunft, Leben – Stiftung – Stift.“ Herausgeber: Hans Rehn Stiftung in Verbindung mit dem Stadtarchiv Stuttgart 2012.
„Hans Rehn war, wie seine Mutter Luise, evangelisch. Seine Mutter hätte durch ihre „Mischehe” – wie wir heute wissen ihren jüdischen Ehemann Albert Feit mit einiger Sicherheit schützen können. Da sie aber unerwartet am 16. August 1933 verstarb, blieb Albert Feit dieser Schutz verwehrt. Er hatte damit als Jude die ganze Verfolgung durch das NS-Regime zu ertragen: So musste er die Judenvermögensabgabe bezahlen, durfte keine Kultureinrichtungen mehr besuchen, musste Schmuck und Edelmetalle abliefern, ebenso das Radio, und musste unter anderem auch den Judenstern tragen. Sein Stiefsohn Hans Rehn unterstützte ihn auf vielfältige Weise und hat manches, wie er nach dem Krieg erklärte, durch persönliche Intervention verhindern können. Diese mutige Haltung fand sich im Nazi-Deutschland leider viel zu selten.“