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Anna Einstein, Bardiliweg 12

Anna Einstein, geb. Stern, wurde als jüngstes und fünftes Kind des jüdischen Ehepaars Hermann Stern und Jeanette Stern, geb. Arnold am 10. Februar 1873 in Stuttgart geboren.

Anna wuchs mit drei Brüdern Ludwig, Max und Julius in der Stuttgarter Seestraße auf, ihre ältere Schwester war noch vor ihrer Geburt im Alter von 3 Jahren gestorben. Die Eltern besaßen eine Tuchhandlung und lebten in der „Bel-Etage“ im eigenen Haus in der Seestraße 7. Anna Stern heiratete den Kaufmann Sigmund Einstein (Jahrgang 1871), der 1912 im Alter von nur 41 Jahren starb.

Die von ihr erhaltenen Ausweisdokumente aus den folgenden zehn Jahren zeigen eine rege Reisetätigkeit der jungen Witwe nach ganz Deutschland, nach Straßburg, Österreich, Italien und in die Schweiz. Vermutlich hat sie die Geschäfte ihres Mannes übernommen. Anna Einstein zog 1928 zurück in ihr Elternhaus in der Seestr. 7, wo auch ihre Brüder lebten.

Als die Familie in der NS-Zeit ihr Haus verkaufen musste, kam sie zunächst zusammen mit ihrem Bruder Julius in der Wielandstr. 17 unter, wo auch Emilie Gidion, Frida Rosenrauch und Hermann Wolf wohnten. Sie zog dann zusammen mit Berthold Kahn, dessen Frau Sofie, geb. Bach mit Tochter Elsbeth Lernau, mit Mathilde Levy und Otto Strauß mit Ehefrau Alice, geb. Einstein in den Bardiliweg 12 nach Gablenberg.

Ab 1939 wurden Jüdinnen und Juden aus ihren Wohnungen verdrängt. Rechtlich hatten die Nazis mit dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 die freie Wohnungswahl genommen. Im November 1941 wurde in Weißenstein im Landkreis Göppingen ein Zwangswohnheim errichtet, in das ältere jüdische Menschen gezwungen wurden. Dazu wurden auch heruntergekommene Schlösser missbraucht, in Württemberg z.B. in Dellmensingen, Eschenau, Oberstotzingen, Tigerfeld und Weißenstein. Von den 60 Menschen, die zwischen Ende Oktober 1941 und August 1942 nach Weißenstein umgesiedelt worden waren, kam einige aus Stuttgart.

Die 69-jährige Witwe Anna Einstein wurde zusammen mit ihrem Bruder Julius, den langjährigen Bekannten Emilie Gidion und Hermann Wolf, sowie den weiteren dort zwangsweise untergebrachten, alte jüdischen Menschen wieder zurück nach Stuttgart gebracht und vom Nordbahnhof aus am 22. /23. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Insgesamt wurden allein mit diesem Transport 1079 Menschen nach Theresienstadt verschleppt, denen man alle Wertsachen und sogar die „Unterbringungskosten“ abgenommen hatte.

Anna Einstein starb drei Tage nach ihrem Bruder Julius – am frühen Morgen des 4. September 1942 auf dem Dachboden der „Dresdner Kaserne“, wo sie wahrscheinlich nicht einmal ein Bett hatte. Aus der „Todesfallanzeige“, die die dortigen jüdischen Ärzte ausstellen mussten. Wird „Altersschwäche“ als Todesursache vermerkt. Die notierte Krankheit „Darmkatharr“ deutet das Elend an, in dem die Häftlinge in Theresienstadt leben mussten. Ein von den Nazis gewolltes Elend, dem auch Anna Einstein zum Opfer fiel. Für das „Wohnen“ in Theresienstadt hatte Anna Einstein einen „Heimeinkaufvertrag“ abschließen und dem NS-Staat 19 800 Reichsmark bezahlen müssen.

Der Stolperstein für Anna Einstein wurde im März 2007 im Bardiliweg 12 verlegt.

Recherche und Text: Klaus-Maier-Rubner, Stolpersteine Göppingen, Astrid Leberer, Gudrun D. Greth, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost
Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg F 201, Bü 444
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