Markus Inschir, *07.01.1876, und seine Frau Anna, geb. Koplonosskoja * 10.08.1883 kamen 1906 (?)… aus Odessa nach Stuttgart.
Die Stadtgründung Odessa (1792) geht auf Katharina der Großen zurück .Damals wie heute waren geopolitische Strategien für solche Vorhaben ausschlaggebend: „um einen leistundfähigen Hafen für Schwarz- und Mittelmeer zu schaffen“. – Ab 1793 zogen viele polniche Juden in die aufstrebende Stadt: 30% der Gesamzbevölkerung. Auch „Schwarz-meerdeutsche“, sowie bulgarische und griechische Zuzügler führten zu einem schnellen und beachlichen Wachstum der Stadt . – Odessa gehört ab 1920 zur Ukraine.
1891 und in der Folgezeit kam es zu Judenproromen in Odessa!
Das wird der Grund für die Auswanderung der Inschirs nach Stuttgart sein.
Markus Inschir, ausgebildeter Kaufmann, eröffneten einen Tabakwarenhandel in der Torstr. 1, den er bis zur Enteignung 1938 erfolgreich betrieb. Das Haus mit Ladengeschäft war auch Produktionsstätte der Firma Kaiser, Tabak- u. Zigarettenfabrik. Das viergeschossige Gebäde befand sich Mitte der Kreuzung Tor-/Hauptstätter Strasse. – Die Nachkriegsplanung sah eine achtspurige Verbreiterung des inneren Straßenrings vor. Zwei Häuserreihen wurden nicht mehr aufgebaut.
Das war der Preis für die Idee der 60er Jahre für die „autogerechten Stadt“.
Wesentl. Teile der Akten im Archiv LB (FL 300/33 I, Bü 20294 u.a.) sind nicht auffindbar.
Überliefert ist: Das Ehepaare hatten zwei Kinder: Sohn Baruch (Benedikt) Inschir, *21.05.1907 er wude nur 11 Wochen alt; sein Grab ((Nr. 1509) ist auf dem jüdischen Teil des Pragfriedhofs.
Tochter Klara, *11.05.1908, heiratete mit 25 Jahren Heinrich Zloczower, Dentist in Weissach (Heckengäu); er stammte aus dem Buchenland (Bukovina).
Sie hatte zwei Kinder:
Sohn Edgar Stefan, *28.06.1936; er starb mit 3 ½ Jahren. Den besorgten Elterm und dem Jungen wurde jede ärztlicher Hilfe verweigert(!), Stuttgart, Pragfriedfof, jüd. Teil – und Tochter Edith, *16.96.1934, ermordet 26.03.1942 in Riga.
Auch Zahnarzt Heinrich Zloczower wurde auf Weisung der NSDAP in Pforzheim und Weisach boykottiert, sodass sich kaum noch Patienten in seine Praxis trauten, obwohl er sehr beliebt und geschätzt war.
Die dreiköpfige Familie zog März 1939 in das Haus der Wittwe Rosa Rosen, nach Stuttgart Reutlinger Str. 73. um sich den Schikanen des dorflichen Umfeldes zu entgehen.
Die Immobilie war im Besitz einer jüdische Wittwe und wurde zum sog.“Judenhaus“ bestimmt.
Das Ehepaar Inschir musste ihre längjährig genutzte Wohnung in der Gerberstrasse 1941 aufgeben und zog ebenfalls in die Reutlinger Str. 73, – nur mit wenig Hausrat für den Alltag ausgestattet!
So fand sich eine Notgemeinschft zusammen von bedrängten und entrechteten Menschen, mosaischen Glaubens, darunter die Eltern Inschir, mit Tochter Klara und Enkelin Edith. Markus betätigte sich als Gärtner und Hilfsarberter.
Schwiegersohn Heinrich verdiente sich kargen Lohn als unselbständige Dentist. Der Einkauf war für Juden nur mehr in der Seestrasse möglich; eine einfache Wegstrecke von ca. 8,5 Km; Straßenbahn durften von Juden nicht mehr genutzt werden!
Die Familie der Tochter Edith wurde am 1.12.1941 nach Riga deportiert und ermordet,.
Gedenksteine erinnern in Weissach an die Zahnarzt-Familie.
Markus und Anna Inschir wurden am 26.04.1942 nach Izbica deportiert und ermordet.
Zwei Gedenksteine erinnern ab heute, 73 Jahre nach der Shoa, an das Ehepaar Markus und Anna Inschir.
Recherche: Initiative Stolpersteine Stuttgart-Mitte, Gebhard Klehr
Quellen: Stadtarchiv Stuttgart, Staatsarchiv Ludwigsburg, Pragfriedhof Joachim Hahn S. 240, Hermann Rapp Initiative Stolpersteine Weissach.- Vergl. auch Kurzbiografie: Stolperstein für Rosa Rosen, geb. Honig; Recherche Doris Neu.
Finanzierung: Spender/Paten: Werner und Eva Baumeister, Stuttgart