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Bona Rosenfeld, Payerstr. 12

Bertha Guggenheim und Gabriel Rosenfeld heirateten am 5. Januar 1875 in Stuttgart. Das jüdische Ehepaar bekam fünf Kinder: Frida, Leopold, Mina, Bona und Moriz Rosenfeld.

Über „Fräulein Rosenfeld“, wie die unverheiratete Bona Rosenfeld genannt wurde, ist in den Archiven leider nur wenig in Erfahrung zu bringen. Passbilder zeigen sie elegant gekleidet, jeweils mit extravagantem Hut. Als Beruf wird Kontoristin im Pass angegeben. In den 1920er Jahren wohnte Bona Rosenfeld in der 2. Etage in der Landhausstraße 9.

Bereits im März 1933 wurden Kunden von der SA und der SS davon abgehalten, in den jüdischen Kaufhäusern Tietz, Schocken und Kadep weiter einzukaufen. Gauleiter Murr zog in die Villa Reitzenstein, und täglich spürte die jüdische Bevölkerung die zunehmenden Schikanen, Benachteiligungen und Bedrohungen. Jüdische Ärzte und Anwälte durften ihren Beruf nicht mehr ausüben, die Stadtverwaltung entließ ihre jüdischen und kommunistischen Angestellten, viele jüdischen Menschen verloren ihre Arbeit und ihre Wohnung, ein brandmarkender „Judenstern“ musste an der Kleidung sichtbar getragen werden, der Einkauf für jüdische Leute war nur noch im sogenannten „Judenladen“ in der Seestraße möglich, öffentliche Verkehrsmittel durften nicht mehr benutzt werden, wer ein Auto besaß musste dies abgeben, Zwangsumzüge in sogenannte „Judenhäuser“ oder die Zwangsumsiedelung älterer Menschen in jüdische Altersheime, die Verschleppung jüdischer Männer ins KZ Dachau und täglicher Terror verbreitete Angst und Schrecken und machten Juden das Leben zur Hölle. Man ahnte Schlimmes, dennoch war die industrielle Ausrottung der Juden wie sie die Nazis planten undenkbar.

Selbst als die Juden aus Württemberg und Hohenzollern den Befehl bekamen, sich in der Blumenhalle des Reichsnährstands auf dem Killesberg zu melden und dort unter den laufenden Kameras für einen Propagandafilm ihre Abgaben für den Transport „gen Osten“ zahlten, blieb die bevorstehende Unmenschlichkeit unvorstellbar.

Auch Bona Rosenfeld war unter den Menschen, die am 1. Dezember 1941 in einem langen Zug – sicherlich wahrgenommen von der Stuttgarter Bevölkerung – vom Killesberg an den Nordbahnhof getrieben und von dort auf in Waggons deportiert wurde.

So ist es zweifelhaft, ob Bona Rosenfelds Umzug 1939 in das 1. Obergeschoss des Hauses Payerstr. 12 (damals Litzmannstr. 12) in der Nähe der Villa Reitzenstein wirklich freiwillig war. Bona Rosenfeld musste alle Möbel, Kleidung und die meisten persönlichen Sachen zurücklassen als sie sich auf dem Killesberg zur Deportation melden musste.

Die Gestapo versiegelte die Wohnung von Bona Rosenfeld. Neue Mieterin wurde die Schauspielerin Annemarie de Bruyn (geb. 1890 in Lahr – gest. 1975 in Stuttgart), die 1936 durch den Film „Du kannst nicht treu sein“ bekannt wurde.

Drei von Bona Rosenfelds Geschwister sind früh gestorben: Frida Rosenfeld bereits am 20. Juli 1879, Leopold Rosenfeld am 13. Dezember 1884 und Mina Rosenfeld am 23. November 1911.

Bonas Bruder Moriz Rosenfeld war verheiratet mit Ella Schneider. Ihr Sohn Kurt Rosenfeld wurde am 13. Mai 1921 in Stuttgart geboren. Nach kurzzeitiger Inhaftierung durch die Nazis gelang Moriz Rosenfeld mit Frau und Sohn die Flucht in die USA, wo er sich künftig Morris Rosenfeld nannte und seinen Sohn Curt. Die Familie lebte in New York City. Morris Rosenfeld starb dort am 11. Juni 1949 im Alter von 66 Jahren.

Wir wissen nicht, ob Morris erfuhr, dass seine Schwester Bona am 1. Dezember 1941 mit dem ersten Deportationszug, mit dem die Nazis begannen, Juden aus Württemberg und Hohenzollern nach Riga in Lettland zu bringen. Von den etwa 2500 Männer, Frauen und Kinder, die man bis zum Februar 1945 vom Stuttgarter Nordbahnhof aus verschleppte, überlebten nur 180 Menschen die NS-Vernichtungsmaschinerie und kehrten zurück. Manche von ihnen starben kurz nach der Befreiung.

Nicht aufgeklärt werden konnte, ob die 61-jährige Bona Rosenfeld Riga erreichte oder ob die SS-Leute sie im Wäldchen von Bikernieki, wo von Sommer 1941 bis Herbst 1944 mehr als 40.000 Menschen – Juden, Widerstandskämpfer und Kriegsgefangene – von der SS und lettischen Hilfskräften erschossen wurden.

Erst am 27. Mai 1955 wurde Bona Rosenfeld zum Datum 31.12.1945 für tot erklärt auf den Antrag ihrer Schwägerin Ella Rosenfeld, geb. Schneider.

Ein Stolperstein in der Payerstr. 12 auf der Stuttgarter Gänsheide erinnert an Bona Rosenfeld.

Recherche: Margot Weiß, Wolfgang Kress
Nachrecherche und Text: Gudrun Greth