Am 20. 9. 1917 heiraten der Rechtsanwalt Dr. Erich Dessauer und Emma Levy, die Tochter des Antiquars Paul Levy und Martha Levy, geb. Edenfeld. Seit der Heirat wohnten sie in der Uhlandstr. 21. Dr. Erich Dessauer gehörte bald zu den angesehensten Rechtsanwälten Stuttgarts. Seine Kanzlei, die er zunächst mit Martin Rothschild führte und zu der 1932 der Rechtsanwalt Dr. Rudolf Hartmann stieß, war wohl die bedeutendste Bad Cannstatts.
Auf Grund des “Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” schieden Dr. Erich Dessauer und Martin Rothschild aus der Kanzlei aus und mussten ab 1936 als Rechtskonsulenten, wie die jüdische Rechtsanwälte jetzt genannt werden mussten, arbeiten.
In der Kronprinzstr. 12, einem Haus , das seiner Frau mitgehörte richtete sich Dr. Erich Dessauer eine Rechtskonsulentenpraxis ein. Da Juden nur von jüdischen Rechtskonsulenten Beistand erbitten konnten und immer mehr jüdische Rechtsanwälte auswanderten war Dr. Dessauer mehr denn je beschäftigt, bis zu seiner Inhaftierung am 3.9.1942.
Das Ehepaar Dessauer, das keine Kinder hatte, führte einen sehr kultivierten Haushalt. Er war in Stuttgart so bekannt, dass er als Beispiel in dem Buch “Stuttgarter Kunst” aufgeführt wurde.
Eine Bildersammlung erbte Emma Dessauer von ihren Eltern, darunter Bilder von so bekannten Künstlern, wie Prof. Orlik, Hans Purrmann, Hans Molfenter und ein Hinterglasbild “Elfenreigen” von Reinhold Nägele. Emma Dessauer war eine professionelle Musikerin und spielte bis zum Verbot für Juden am Anfang des “Dritten Reiches” 1933 im Orchester von Radio Stuttgart mit. Sie besaß ausgesuchte Meisterinstrumente mit allerbester Tonqualität, z. B. Mittenwalder Instrumente und eine Geige von dem berühmten Geigenbauer Josef Rocca (Turin) von 1832. Das große Erbe von Emma Dessauer beinhaltete den Mitbesitz von mehreren Häusern in der Stuttgarter Innenstadt, Wertpapiere und erlesensten Hausrat. Unter dem Druck des Arisierungsgesetzes musste sie die Häuser z. T. weit unter Wert bzw. ganz entschädigungslos abgegeben. Vom 9.11.1938 an musste sie, wie alle Juden, ihren Schmuck in der Pfandleihanstalt in Stuttgart abgeben.
Ab dem 19.9.1941 mussten alle Juden den gelben Judenstern tragen. Sie wurde 1942 wegen Nichttragens des Judensterns zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Am 17.6.1943 wurden Dr. Erich Dessauer und seine Frau Emma auf Veranlassung der Gestapo nach Theresienstadt deportiert. Aus Theresienstadt berichtet eine Mitinhaftierte im Juni 1943: “Die schwäbischen Häftlinge verbindet die gemeinsame Heimat. Wir betonen unsere Herkunft aus Württemberg und reden kräftig schwäbisch, wenn wir einander begegnen. Ein Stuttgarter Rechtsanwalt (Erich Dessauer), der in der Gaskammer von Auschwitz endete, grüßt sogar einmal “Hie gut Württemberg allewege.”
Herr Max Guggenheimer bekam von Erich Dessauer aus Theresienstadt, Turmgasse 7, noch eine Postkarte, in der er sich für das letzte erhaltene Paket mit Kartoffeln und Karotten bedankt. “Ich hoffe, dass Hanne, Perlen und die kleine Frau nicht zu Schaden gekommen sind. Von Hanne hörten wir seit der dem Paket vom 17.7. nichts mehr, ich lasse sie und ihre Angehörigen vielmals grüßen. Wir denken oft mit Sorge an sie und Euch Alle. Mit den besten Wünschen für Euer weiteres Wohlergehen.”
Für ihr Vermögen wurde das “Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens” vom 14.7. 1933 angewendet, das der Reichsminister der Finanzen am 4.11.1941 auf alle Vermögen von nach dem Osten abgeschobenen Juden ausdehnte.
Dazu gab es am 29.5.1941 einen Erlass des “Führers und Reichskanzlers” über die Verwertung des eingezogenen Vermögens. Mit der Durchführung der Aktion war die Gestapo beauftragt. Diese hatte schon vor der Deportation Vermögensverzeichnisse einzufordern. So wurde auch bei Dessauers verfahren. Dr. Erich Dessauer wurde von Theresienstadt nach Auschwitz transportiert und wurde am 16. 10. 1944 ermordet.
Emma Dessauer ist im Juni 1945 nach Stuttgart zurückgekehrt und fand in Stuttgart nur noch eine Cousine vor. Die Mutter Martha Levy, die gezwungen worden war, sich mit 30.000 RM in ein Altersheim einzukaufen, das sich dann als Theresienstadt herausstellte, wohin sie am 22.8.1942 deportiert wurde, kam dort um.
Emma Dessauer hat später in Stuttgart eine Buchhandlung und einen Groß- und Einzelvertrieb für In- und Ausländische Zeitungen und Zeitschriften eröffnet. Sie starb am 27.1.1975.
Foto: Martha Levy, geb. Edenfeld, Mutter von Emma Dessauer
Zimmereinrichung
Text und Recherche: Barbara Heuss-Czisch und Jennifer Lauxmann
Quellen: Stadtarchiv Stuttgart, Landesarchiv Ludwigsburg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart,
Maria Zelzer: „Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden.“
Fotos: Landesarchiv Ludwigsburg.
Spender/Pate: Dr. Gerhard Raff, Stuttgart-Degerloch