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Familie Wissmann, Neue Weinsteige 1

Stolpersteine in der Neuen Weinsteige: Von den Nazis vertrieben
Im Herbst 1938 eskalierte die nationalsozialistische Judenverfolgung und erreichte ihren Höhepunkt, bevor mit dem Weltkrieg die Massenvernichtung begann. Jüdischen Ärzte und Rechtanwälte mussten ihren  Praxen bzw. Kanzleien aufgeben, die polnischen Juden wurden Ende Oktober in einer Nacht- und -Nebelaktion nach Polen abgeschoben, in der Nacht vom 9. auf den 10. November zündeten die Nazis die Synagogen an und demolierten jüdische Geschäfte, allein in Stuttgart wurden hunderte Juden von der Gestapo verhaftet und in Konzentrationslager (Welzheim und Dachau, aber auch Buchenwald) gesteckt, die “Arisierung” und Liquidierung aller noch existierenden jüdischen Betriebe führten auch zur Entlassung der jüdischen Arbeiter, jüdischen Schülern wurde der Besuch deutscher Schulen verboten und die Ausplünderung durch die Vermögensabgabe trieb die Juden ins Elend. Nach den Novemberpogromen wuchs die Auswanderung der Juden zur Massenflucht an. Bis zur Volkszählung im Mai 1939 war die Zahl der Stuttgarter Juden auf 2194 (zuvor 3596) geschrumpft. Viele Eltern versuchten angesichts der strengen Einwanderungsbestimmungen vieler Aufnahmeländer (so auch der USA) wenigstens die Kinder mit einem der jüdischen Kindertransporte zu retten.

Julius WissmannOrganisiert hat diese Transporte, die vor allem nach England gingen, wo etwa 10.000 Kinder aufgenommen wurden, der Geschäftsführer der Israelitischen Gemeinde Württembergs, Julius Wissmann, der auch die Visaverhandlungen für die Auswanderung von Juden in die USA mit dem damaligen amerikanischen Konsulat in Stuttgart führte. Am 10. November 1939 wurde auch Wissmann von der Gestapo verhaftet und 10 Tage im Polizeigefängnis in der Büchsenstraße, der berüchtigten “Büchsenschmiere”, festgehalten. Er entging nur knapp der Deportation nach Dachau, setzte sich aber auch nach seiner Entlassung unermüdlich für die Rettung weiterer Juden ein, bis ihm mit seiner Familie im April 1939 die Flucht nach Brasilien gelang.

Die Stolpersteine für die Familie Wissmann wurden im Beisein des Urenkels Yan Wissmann, der mit seiner Frau Laura aus Berlin angereist war, vor dem Haus in der Neuen Weinsteige 1 gesetzt. Frank Eisele sorgte mit seinem Akkordeon für den musikalischen Rahmen der Feier.

Yan WissmannVerlegung WissmannSteine Wissmann
Verlegung vor dem Haus in der Neuen Weinsteige 1 (Fotos: Thomas Straile)

Werner Schmidt, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Süd, Juli 2020