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Friederike Reinhardt, Büsnauer Str. 260

Über das Leben der Friederike Reinhardt, das nur 17 Jahre dauerte, ist wenig bekannt.  Frieda, wie sie oft genannt wird, wurde am 4. Februar 1926 in Wachbach, Kreis Mergentheim, geboren.  Ihr Vater Jakob Reinhardt, Jahrgang 1901, aus Herblingen bei Nördlingen gebürtig,  verdiente seinen Lebensunterhalt als Hausierer.  Die Mutter Maria, eine geborene Reinhardt, die 1908 in Chatenois im Elsass zur Welt kam, handelte mit Textilien.  Wie es das Wandergewerbe der Eltern mit sich brachte, wurden die sieben Kinder der Familie an verschiedenen Orten Süddeutschlands geboren. Frieda war die Zweitälteste unter den Kindern.

Im Stuttgarter Adressbuch für 1941 findet sich der Eintrag “Reinhardt J. Arbeiter” unter der Adresse “Büsnauer Hof.”  Wieso wohnte dort Friedas Vater Jakob mit seiner Familie?  Unter “Büsnauer Hof (Gemeinschaftssiedlung)”, einem Teil von Vaihingen auf den Fildern, heute Stuttgart-Vaihingen, sind in dem damaligen Adressbuch 39 Personen angegeben, von denen neun Familiennamen tragen, wie sie bei Sinti gebräuchlich sind:  Kreuz, Reinhardt, Schneck und Winter.  Bei diesen neun Personen ist im Adressbuch als Beruf “Arbeiter” oder “Hilfsarbeiter” vermerkt.  Eine im Archiv gefundene amtliche Notiz aus Stuttgart erklärt das Ganze: “Ref[erat] 4 teilt am 16.1.40 mit, dass zur Ausführung von Bauarbeiten 60 Zigeuner am Büsnauer Hof beschäftigt werden. Das städt. Gesundheitsamt gibt an, dass diese Ansammlung von Zigeunern zu gesundheitspolizeilichen Anständen geführt habe.”  Man hatte schlicht vergessen Toiletten zu bauen.  Mit der Arbeitsleistung war der SA-Bauleiter sehr zufrieden.       

Einige Zeitzeugen aus Büsnau bestätigen, dass die “Zigeuner” mit ihren Familien in zwei Baracken wohnten und die Straßen in der gerade begonnenen SA-Siedlung bauten. Nach deren Angaben wohnten die “Zigeuner” schon nicht mehr in der Siedlung, als im März 1943 ein Luftangriff auf Büsnau erfolgte.  Die Baracken waren vorher abgebaut worden.  Wann sie Büsnau verließen, ist unbekannt.  Friedas Familie zog jedenfalls noch 1941 in die “Zigeunersiedlung” auf dem Hallschlag in Bad Cannstatt, wo sie – wie der erhaltene Ausweis für Fliegergeschädigte bestätigt – im Frühjahr 1943 ausgebombt wurde. Auf diesem Ausweis fehlt unter den aufgezählten Kindern der Name “Friederike”.  Was war geschehen? Wir wissen nur wenig.  Unter dem Datum vom 6.11.1942 findet man Friedas Name im Gefangenenbuch des Gerichtsgefängnisses Ludwigsburg eingetragen.  Mit Rotstift ist groß über ihrem Namen “Zigeuner” vermerkt. Aus dem Buch ist zu erfahren: “6 Monate Gefängnis, abzüglich 6 Wochen Untersuchungshaft, Diebstahl”. Friedas “Straf- oder Verwahrungszeit” sollte am 28.2.1943 enden. Laut letztem Eintrag wurde sie jedoch am 8.1.1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo sie am 7.2.1943 ermordet wurde.

Recherche und Text: Dr. Karl-Horst Marquart, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Vaihingen, März 2008