Als Nachbar und Stuttgarter Bürger wohnte über Jahrzehnte im Herdweg 35 der Rechtsanwalt Gustav Esslinger im elterlichen Hause und nach dem Tode seines Vaters bei seiner Mutter, bis er während des Dritten Reiches zu einem Opfer der Rassengesetze des damaligen Gewalt- und Unrechtsstaates gemacht wurde.
Gustav Esslinger wurde am 14. Januar 1875 in Stuttgart geboren und am 9. April 1938 in der Nähe von Dachau ermordet. Er hatte sich nach dem Jurastudium als Rechtsanwalt in seiner Geburtsstadt 1901 niedergelassen und diesen Beruf auch bis zum 1. Juni 1935 ausgeübt. Denn nach der sogenannten “Machtergreifung” und der in ihrem Gefolge erlassenen rassistisch-antisemitischen Gesetze von 1933 bis 1935 wurde er als Jude zuerst aus der Anwaltskammer ausgeschlossen, so dass er seinem Anwaltsberuf nicht mehr nachgehen konnte. Danach folgten weitere Maßnahmen zur Ausgrenzung aus einem bürgerlichen Leben. In der daran anschließenden Verfolgung und Ermordung hat er in geradezu beispielhafter Weise das Leben eines Opfers der nationalsozialistischen Gewalt- und Unrechtsherrschaft erdulden müssen. Wegen seiner Freundschaft und seinen Begegnungen mit einer “Arierin” wurde er nach den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 im Jahre 1936 verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen des Delikts “Rassenschande” am 6. Oktober 1936 zu einer Gefängnisstrafe – nicht zu einer Zuchthausstrafe oder zum Tode -, verurteilt, die am 13. März 1938 verbüßt war und zu seiner Entlassung aus der Haftanstalt geführt hat. Nur wenige Tage danach ist er erneut festgenommen und am 25. März 1938 in das Konzentrationslager nach Dachau verbracht worden, wo er nach telefonischer Mitteilung an seinen Bruder und dessen Frau am 9. April 1938 angeblich verstorben sei, in Wirklichkeit jedoch auf dem SS-Schiessplatz Prittlbach bei Dachau ermordet worden ist.
Recherche & Text: Gerhard Müller, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Nord.
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Stadtarchiv Stuttgart.