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Hanna und Walter, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert, Werner Levi, Alexanderstr. 81

Die Familie Walter und Hannah Levi ist von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet worden. Die einzigen Spuren, die es von Walter, Hannah und ihren sechs Kindern gibt, sind Erinnerungen. Eine Schwester, ein Bruder, eine Schwägerin und ein Freund von Walter Levi haben nach 1945 beim so genannten Wiedergutmachungsverfahren die wenigen Fakten zu Protokoll gegeben, die heute noch über die Levis bekannt sind. Hauptsächlich aus diesen Unterlagen, die im Staatsarchiv Ludwigsburg liegen, stammen die folgenden Informationen:

Walter Levi wird am 20. September 1899 in Haigerloch geboren, seine Frau Hannah Hirschberger kommt am 13. Dezember 1900 in Frankfurt zur Welt. Im Alter von 23 Jahren eröffnet Walter Levi zusammen mit seinem Geschäftspartner Max Schuster in der Stuttgarter Urbanstraße 66 eine Handlung für Schreibmaschinen und Büroartikel. Kurz und wohl eher erfolglos versucht er sich auch als Pelzhändler. Später steigt Walters Bruder Julius eine Weile in den Büroartikelhandel ein, verlässt das Geschäft aber ebenso wie Walters ursprünglicher Partner Max Schuster. Als alleiniger Inhaber verlegt sich Walter immer mehr auf Garne und Textilwaren. In dieser Branche muss er sehr erfolgreich gewesen sein. Sein Freund Carl Kahn erinnert sich an ein riesiges, sicher sehr wertvolles Warenlager, und an eine geräumige, luxuriös ausgestattete Wohnung hier im Haus Alexanderstraße 81. Dieses Haus war vor seiner Zerstörung durch den Bombenkrieg ein prachvoller Bau, wie der noch erhaltene Sockel aus Naturstein ahnen lässt (inzwischen durch Neubau 2010 ersetzt). Direkt in der Nachbarschaft sind viele ähnliche Häuser erhalten geblieben, die ein Zeugnis davon ablegen, dass hier wohlhabende und gediegene Stuttgarter Bürger lebten.

1928 kommt das erste Kind von Hannah und Walter zur Welt, ihre Tochter Sofie. Ein Jahr später folgt Rosa, drei Jahre darauf der erste Sohn, Erich, wiederum zwei Jahre danach, genauer: am 17. Juni 1933, die dritte Tochter, Auguste. Etwa zu diesem Zeitpunkt zieht die nun sechsköpfige Familie Levi hier in der Alexanderstraße 81 ein. Noch einmal fünf Jahre darauf, im April 1938, bekommen die Levis ihr fünftes Kind, einen Jungen namens Albert.

Doch was so ungebrochen vital erscheint, kommt bald zu einem bitteren Ende. Knapp ein Jahr nach der Geburt seines jüngsten Sohnes, Anfang März 1939, gibt Walter Levi sein Geschäft auf. Details dazu sind nicht bekannt. Der Terror gegenüber Juden war 1939 längst alltäglich und umfasste alle Lebensbereiche, auch die Zwangsenteignung vieler Geschäftsleute. Der vermögende Textilkaufmann Walter Levi verdingt sich nun als Hilfsarbeiter in einer jüdischen Fremdenherberge.

Mitte 1940 werden Walter, Hannah und die Kinder Levi von der Stadtverwaltung zwangsumgesiedelt in ein so genanntes „Judenhaus” in der Reinsburgstraße 107. Judenhäuser waren Gebäude, in denen sehr viele Menschen auf engstem Raum zurechtkommen mussten.

Die Familie Levi wird von dort am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert, zusammen mit dem größten Teil der Stuttgarter Juden. In Riga verliert sich ihre Spur. Zum Zeitpunkt der Verschleppung aus der Heimat ist Walter Levi 42 Jahre alt, seine Frau Hannah 41, ihre Kinder Sofie 13, Rosa 12, Erich 10, Auguste 8 und Albert 3 Jahre alt.

Im selben „Judenhaus” wie Walter war auch seine Mutter Klara Levi einquartiert. Sie wird 1942 nach Haigerloch zwangsumgesiedelt und danach im Alter von 73 Jahren ins KZ Theresienstadt verschleppt. Dort verliert sich ihre Spur.

Die Todesumstände von Klara, Walter, Hannah, Sofie, Rosa, Erich, Auguste und Albert Levi sind uns nicht bekannt. Wir wissen allerdings, dass im KZ Theresienstadt die allgemeinen Bedingungen so schlecht waren, dass viele Häftlinge an Hunger, Krankheit und Erschöpfung starben. Auch in Riga starben viele Deportierte an Hunger, Kälte, Typhus und anderen Krankheiten. Im März 1942 wurden zwischen 1.600 und 1.900 Deportierte nahe Riga im Wald von Bikernieki erschossen. Insgesamt sind etwa 25.000 jüdische Deutsche nach Riga deportiert worden, von denen nur sehr wenige überlebten.

Bei vielen Opfern der Nazis sind die Todesumstände nicht rekonstruierbar. In diesen Fällen haben bundesdeutsche Gerichte einen offizillen Todestag festgelegt, der auch für Klara, Walter, Hanna, Sofie, Rosa, Erich, Auguste und Albert Levi gilt: der 5. Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Tag der Befreiung, die so viele nicht mehr erlebten.

Nachtrag: Nach aktuellem Kenntnisstand gab es noch ein weiteres Kind der Familie mit Namen Werner, für welches noch ein Gedenkstein verlegt werden wird.

12.04.2011: Verlegung des Kleindenkmals für

Werner Levi

geboren 1941, als 6. Kind der Familie Walter und Hannah Levi
deportiert 1941
gestorben 1945 (festgesetztes Todesdatum)

Die Nachricht von seiner Geburt erreichte selbst die Großmutter mütterlicherseits nicht mehr, die nach 1945 Wiedergutmachung beantragte.
Ungewöhnlich ist, dass Werner Levi auf keiner Deportationsliste geführt wurde.Im Staatsarchiv findet sich eine Notiz mit dem Namen Werner. – Historiker vermuten, dass Hannah ihren letzten Sohn zu Hause entbunden hat, um ihn so vor den Nazis verheimlichen zu können, in der Hoffnung ihn vor der Vernichtung zu retten.  

Recherche: Jennifer Lauxmann
Text: Barabara Heuss-Czisch, Andreas Langen, Jennifer Lauxmann.

Spender/Paten für Kleindenkmal Hannah, Walter, Sofie, Rose, Erich Auguste und Albert: Dr. Andreas Rothe, Stuttgart.
Für Kleindenkmal Walter: Ursula und Jürgen Lauxmann, Stuttgart.
Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart
Staatsarchiv Ludwigsburg