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Hans Geiger, Bludenzer Str. 34

Hans Geiger – ein Deserteur der Wehrmacht

 Er wurde am 16.1.1913 in Mannheim Käfertal geboren und katholisch getauft.

Wenig ist über seine Jugend bekannt, nur, dass er den Beruf des Kaufmanns erlernte. Er war im Lichtwerk der Firma Robert Bosch AG in Feuerbach beschäftigt

Von seinem Vater Georg, Jg. 1892, seiner Mutter Susanna und seiner Schwester Johanna, verheiratete Schmitt, wissen wir, dass sie zu Kriegsende in Mannheim lebten.

Am 28. August 1939, also 4 Tage vor Kriegsbeginn, war Hans Geigers erster Diensteintritt in die Wehrmacht. Er war zunächst Gefreiter im Infanterie-Regiment 119, das 1940 motorisiert wurde. Am 1.6.1942 ist er zum Obergefreiten befördert worden. Erst 1943 erfolgte die Umbenennung in „25. Panzer-Grenadier-Division“.

Im Mai 1940 heiratete er während seines Heimaturlaubs seine Frau Gertrud, geb. Geisendörfer.

In einem Schreiben des Kompanieführers am 2.9.1943 steht zu lesen, dass er ein Kind hatte.

Als letzte Anschrift 1939, bevor er Soldat wurde, und auch als Adresse seiner Ehefrau 1943 wurde angegeben: Bludenzer Straße 34 in Feuerbach.

Anhand von Unterlagen des Militärarchivs Freiburg, das zum Bundesarchiv gehört, und des Internationalen Suchdienstes (International Tracing Service ITS) in Arolsen konnten wir wenigstens einige Informationen zum Leben von Hans Geiger herausfinden.

Wir erfuhren, dass Hans Geiger in den Jahren 1941 und 1942 häufig wegen Verletzungen im Lazarett war. Eine schwere Verletzung erlitt er im Herbst 1942, nämlich einen Durchschuss des linken Oberschenkels und einen Steckschuss im rechten Oberschenkel. Dafür erhielt er ein Verwundetenabzeichen in Schwarz. Er wurde in Lazaretten in Warschau und in Orel (Russland) behandelt. Er war im „Russlandfeldzug“ eingesetzt, den das Deutsche Reich ab Juni 1941 ohne Kriegserklärung begann. Orel liegt etwa in der Mitte zwischen Moskau und Kiew. Die Stadt war von 1941 bis 1943 von den Deutschen besetzt. Am 5. August 1943 wurde die Stadt in der Orjoler Operation von der Roten Armee zurückerobert. Die Stadt wurde beim Rückzug der deutschen Truppen im Rahmen der Taktik der Verbrannten Erde vollständig vernichtet.

In den Unterlagen fand sich ein Flugblatt (eine Kopie des Originals liegt vor) dieses Inhalts:

„Lesen und weitergeben!
Wahnsinnige Opfer
Offiziere und Soldaten der 25. motorisierten Division!
Dort bei Orel,
von wo man Euch hierher getrieben hat, ist Eure Division zerschmettert worden. … Hier haben schon hunderte Eurer Kameraden … ihr Grab gefunden.
Ihr seid dem sicheren Tod preisgegeben. …
Die deutsche Armee an der Ostfront verlor vom 5.7. bis 5.9.1943, also in 2 Monaten, 1,5 Millionen Soldaten und Offiziere, darunter 420.000 Mann allein an Toten. 38.600 deutsche Soldaten und Offiziere hatten sich in derselben Zeit gefangen gegeben.
Soldaten!
Euer Widerstand ist sinnlos. Ihr seht doch selbst, dass Hitler den Krieg verloren hat. Weshalb noch das Leben opfern?
Nur durch die Gefangengabe könnt Ihr Euch noch retten, wie es Ogfr. Hans Geiger, Soldat Adolf Haug und hunderte andere Eurer Kameraden getan haben!
Dieses Flugblatt gilt als Passagierschein für deutsche Soldaten und Offiziere, die sich der Roten Armee gefangengeben.“

Das war die Aufforderung zur Fahnenflucht, zur Desertion.

Worin bestand das „Vergehen“ des Hans Geiger, das zu seinem Todesurteil führte?Zunächst fand eine größere Untersuchung mit 5 Zeugen statt zum Tatbestand des „Wachvergehens“. Offenbar war Hans Geiger, während er als Horchposten Wache zu leisten hatte, eingeschlafen. Er sagte zwar, er habe die Nächte zuvor wegen langer Dienste kaum geschlafen, aber die Zeugen bestritten dies.

Und dann geschah Folgendes – so steht es jedenfalls im Untersuchungsbericht:

„Der Obergefreite Hans Geiger erhielt am 2.9.43, um 2.15 Uhr, von Unteroffizier Kolisek den Auftrag, zwei Kochgeschirre in dem etwa 100 m entfernt in der Kompanie-Mulde fließenden Bach zu reinigen. Von diesem Auftrag kehrte G. nicht zurück, sondern begab sich mit den beiden Kochgeschirren entlang der Kompanie-Mulde zum Fluß Zarewitsch. … Als nach einer halben Stunde das Fehlen von G. festgestellt wurde, suchte sofort ein Spähtrupp den Bach ab, verfolgte entlang des rechten Ufers eine einzelne Fußspur und fand nach etwa 400 m zwei Kochgeschirre, welche als die der Truppe Kolisek gehörend erkannt wurden…. Gegen Geiger wurde wegen Wachverfehlung Tatbericht eingereicht. Er wurde … an einer besonders gefährlichen Stelle des Kompanieabschnittes als Horchposten schlafend angetroffen. Es ist anzunehmen, daß G., um der ihn voraussichtlich auf Grund des Tatberichts [zu] erwartenden Strafe zu entgehen, überlief. Das Überlaufen dürfte durch den Inhalt eines russ. Flugblattes bestätigt sein.“ So der Bericht.

Das Feldurteil lautete dann:

„Der Angeklagte wird wegen Fahnenflucht zum Tode, Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt.“

Im Januar 1944 stellte Hans Geigers Mutter ein Gnadengesuch an den „Führer des Gross -Deutschen Reiches“. In ihrem Schreiben erklärte die Mutter, diese Tat könne ihr Sohn nur „in einem Augenblick geistiger Umnachtung“ begangen haben, da er „bis zuletzt immer nur von dem gleichen vaterländischen Soldatengeist beseelt war wie seine Vorfahren“. …

Das Gnadengesuch wurde abgelehnt, weil ein Überläufer „jedes Gnadenerweises unwürdig“ sei. Die Tat sei sehr wohl geplant gewesen.

Über das Schicksal von Hans Geiger war und ist nicht mehr zu erfahren!

Weil Hans Geiger der aussichtslosen, tödlichen Situation entgehen wollte, wurde er zum Tode verurteilt – im Alter von 30 Jahren.

Ihm zu Ehren wurde am 1. Dezember 2021 ein Stolperstein vor seinem letzten Wohnsitz in der Bludenzer Straße 34 in Feuerbach verlegt.

Auf dem Mahnmal für Opfer des Nationalsozialismus auf dem Feuerbacher Friedhof steht Hans Geiger als einer von 28 Namen eingraviert: Uns allen zur Erinnerung und Mahnung!

Recherche und Text: Heinz und Hildegard Wienand,
Stolperstein-Initiative Feuerbach/Weilimdorf