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Max Rosenfeld, Herdweg 63

Max Rosenfeld wurde am 25. Mai 1867 in Stuttgart in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren, die mit Tabak handelte. Max Rosenfeld blieb sein ganzes Leben lang dem Geschäftsfeld seiner Familie verbunden. Er hatte Erfolg mit seiner eigenen Firma, mit der er zu einem ansehnlichen Vermögen kam.

Von Anfang an sah sich Max Rosenfeld der Zivilgesellschaft in der er lebte verpflichtet und wollte mit dieser einen Teil seines Reichtums teilen, indem er zum Beispiel eine Kunstsammlung aufbaute, so Künstler unterstützte, ein Haus baute, mit dem Plan, der Gesellschaft Kunsterlebnisse zum Beispiel Konzerte oder Ausstellungen anbieten. Das Haus Rosenfeld im Herdweg 63 entstand ungefähr gleichzeitig mit der Stuttgarter Oper von Max Littmann und dem Kunstgebäude am Schlossplatz, erbaut von Theodor Fischer. Alle Drei entschieden sich jeweils für einen sehr prägnanten Stil.

Max Rosenfeld ließ seine Villa den berühmten Architekten und Maler Bernhard Pankok im Jugendstil bauen. Er nahm damit bewusst die Tradition auf. Der Bau wurde 1909 begonnen 1912 vollendet.

Schon Jahre zuvor hatte er sich mit Architektur und technisch modernen Möglichkeiten des Bauens beschäftigt. So konnte er seinem Freund Pankok viele Anregungen geben. Aus dem Gebäude wurde ein Gesamtkunstwerk von großer Schönheit. Innen durch die dekorative Wandverkleidung und die Einrichtung, außen durch die Struktur der Architektur und ihrer Schmuckelemente.

Im Jahr 1897 hatte Max Rosenfeld Martha Sussmann, 28. Oktober 1873 in Stuttgart geboren, geheiratet. Das Porträt, das Bernhard Pankok von ihr malte, war von zentraler Bedeutung für die ganze Familie. Das Ehepaar bekam zwei Söhne: Hans Eric (geb. 1897) und Paul Georg (geb. 1906). Martha starb sehr früh. Schon im Alter von 55 Jahren 1928, kurz nach ihrem ersten Sohn, der 1927 bei einem Autounfall ums Leben kam. Der Tod dieser geliebten Menschen hinterließ eine große Leere im Leben Max Rosenfelds.

1929 zog er in die nahe gelegene Dillmannstr. 23 und später in die Hölderlinstr. 57, wo er bis zur Flucht vor den Nazis lebte. Welchen Grund er für den zweiten Umzug hatte, ist nicht bekannt. War er verfolgungsbedingt? Die Nürnberger Rassengesetze wurden immer drastischer. Max Rosenfeld blieb bis 1939 in Stuttgart, länger als sein zweiter Sohn Paul Georg, der 1938 mit seiner Familie über Amsterdam nach New York floh. Im selben Jahr floh die Ehefrau seines verstorbenen Sohnes Hans Eric, Helene, geb. Gutmann, zusammen mit ihrer Tochter Doris nach Zürich. Dem Vater blieb es überlassen, den Transport der restlichen Habe der Familie seines Sohnes und seine eigene zu beaufsichtigen, organisieren und die auferlegten rechtlichen, finanziellen Forderungen zu erfüllen. Da war er 72 Jahre alt.
Es ist nicht viel über das Leben der Familie Rosenfeld in Stuttgart überliefert. Über diese Vergangenheit wurde in der traumatisierten Familie kaum gesprochen. Warum blieb Max Rosenfeld so lange in Stuttgart und warum blieb er als Einziger, obwohl er sicherlich die Möglichkeit zur früheren Auswanderung gehabt hätte? Sah er die Gefahr nicht oder glaubte er nicht an die Gefahr für sich, wie viele assimilierte und integrierte Juden in Deutschland. Die deutsche Staatsangehörigkeit war für ihn bedeutsamer als die Religion. Betrachtet man die Porträts, die Bernhard Pankok von seinem Freund Max Rosenfeld gemalt hat, kann man in ihm einen starken, willensbetonten, lebenszugewandten, aufmerksamen Mann erkennen. Fühlte er sich in der Gesellschaft, in der er sich so stark verwurzelt hatte, sicher?

Seine Flucht 1939 nach Amsterdam war sicherlich nicht unvorbereitet. Die Schwägerin Leonie Dentz-Sussmann, die Schwester seiner Frau, lebte in Amsterdam und half der Familie immer wieder, z.B. auch bei der Flucht seines Sohnes Paul Georg mit seiner Familie. Auch geschäftlich gab es enge Beziehungen, seine Firma hatte einige Jahre lang eine Zweitniederlassung in der holländischen Hauptstadt.

Max Rosenfeld (Porträt, 1920)

Max Rosenfeld, dessen Liebe besonders der Kunst galt, konnte mit seiner Kunstsammlung, seinen Möbeln und weiterem Besitz, wie Schmuck zum Beispiel, nach Amsterdam fliehen. Noch 1939 schreibt Max Rosenfeld an seinen Freund Bernhard Pankok: „meine Wohnung ist sehr behaglich, fühle mich besonders wohl, weil (ich) den größten Teil meiner Möbel und Bilder wieder genauso aufstellen konnte, wie in meinem letzten Heim. Können Sie mir nicht eine Fotografie von dem alten Mann senden, den Sie vor einigen Monaten porträtierten?… Von Paul, ebenso von Helene, habe ich gottlob sehr erfreuliche Berichte.“

Doch aus den Fängen der nationalsozialistischen Herrschaft entkam Max Rosenfeld auch in Amsterdam nicht. Am 15. September 1941 gab der deutsche „Generalkommissar des Sicherheitswesens“ die Anordnung, dass aller Besitztum von Juden angemeldet werden müsste. Es bezog sich auf alles: Mobiliar, Hausrat und anderer Besitz. Es war der Auftakt zur systematischen Plünderung jüdischer Wohnungen. Diese M-Aktion (ein Begriff der Nationalsozialisten) begann 1941 und war 1943 so gut wie abgeschlossen. So gut wie alle jüdischen Wohnungen waren ausgeplündert. Dafür setzten die Nationalsozialisten Trupps ein, die die Wohnungen durchsuchen mussten nach vielleicht nicht deklariertem Gut.

Auch Max Rosenfeld wurde entdeckt, bekam eine Strafanzeige: „Strafantrag gegen den staatenlosen Juden Max Rosenfeld, geb. 15.5.1867 in Stuttgart, wohnhaft in Amsterdam Cliostraat 55“. Er musste daraufhin allen Besitz abgeben wie später alle Juden.

Auf seine letzte Reise Februar 1943 ins Durchgangslager Westerbork durfte er nur noch einen Koffer mit persönlichen Dingen mitnehmen. Vorgeschrieben: ein Paar Arbeitsschuhe, die Essschüssel und Essensvorräte für drei Tage. Das war das, was den Juden erlaubt war für Ihren Arbeitseinsatz, wie man die Deportation genannt hatte, einzupacken. Schon am 18. März wurde er ermordet.

Am 30. Oktober 2024 wurde am Herdweg 63 ein Stolperstein für Max Rosenfeld verlegt.

Recherche und Text: Barbara Heuss-Czisch und Jennifer Lauxmann-Stöhr, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Mitte

Wir bedanken uns bei Dr. Kai Artinger dafür, dass wir seine Recherchen verwenden durften, und bei der Familie, die immer zur Unterstützung bereit war, besonders Jeffrey Ronald und dem Staatsarchiv Ludwigsburg, sowie beim ZDF für die gute Zusammenarbeit.