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Paul Georg, Grete und Martha Luise Rosenfeld, Gustav-Siegle-Str. 3

Der zweite Sohn von Max und Martha Rosenfeld wurde am 25. August 1906 in Stuttgart geboren, neun Jahre nach seinem Bruder Hans Eric. Paul Georg überlebte den Holocaust, da er mit seiner Familie spät im Jahr 1938 noch in die USA fliehen konnten. Sein Leben in Deutschland war in den letzten Jahren geprägt durch die Schikanen, die sich die Nationalsozialisten für die Juden ausdachten und mit Gesetzen und Verordnungen durchsetzen.

Paul Georg Rosenfeld lernte am Staatl. Technikum für Textilindustrie in Reutlingen und wurde wie sein Vater Kaufmann. Er wurde technischer Leiter der Mechanischen Trikotweberei Ludwig Maier & Co. AG in Böblingen und war zuletzt mit 10,4% der Aktien an dem Unternehmen beteiligt. Ein schwerer Schicksalsschlag traf die Familie 1927 mit dem Tod des älteren Bruders durch einen Autounfall und 1928 mit dem Tod der Mutter Martha.

Paul Georg heiratete im Februar 1936 Grete Kahn, geb. 23. Juli 1911 in Heilbronn. Ihre Hochzeitsreise führte sie trotz der politisch bedrohlichen Situation noch nach Italien. Ihre Tochter Martha Luise kommt am 26. Juni 1938 zur Welt. Da waren die Schikanen der Nationalsozialisten schon längst über die Familie hereingebrochen. Zum Beispiel wurden Pässe für Juden 1935 eingezogen und neue hatten nur noch eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten. Um einen Pass zu bekommen, musste bei verschiedenen Finanzämtern Unbedenklichkeitsbescheinigungen eingeholt werden. Unter anderem um zu beweisen, dass die „Reichsfluchtsteuer“ und nach dem Novemberpogrom 1938 die sogenannte „Sühneabgabe“, die den Juden abverlangt wurde, entrichtet war. Seit Ende April wurden jüdische Vermögen beschlagnahmt. Die sogenannte „Arisierung“ der Firmen und Unternehmen von Juden begann. Das bedeutete für Paul Georg, dass er den Anteil an der Mechanischen Trikotweberei Ludwig Maier & Co. AG verlor und dort auch nicht mehr arbeiten durfte. Er wurde mit einer geringen Abfindung entgolten, die auf ein Bankkonto kam, das dann später eingezogen wurde. 1937 musste die Villa Rosenfeld im Herdweg 63 verkauft werden.

Schon kurz nach ihrer Geburt war klar, dass die Tochter stark gefährdet war und Paul und Grete suchten einen Ausweg, um sie in Sicherheit zu bringen. Sie schickten ihr drei Monate altes Baby mit Hilfe von Verwandten und einer Tante Leonie Dentz-Sussmann in ein Diakonissenheim nach Amsterdam, um sie zur endgültigen Flucht nach USA später dort abzuholen. Das Ehepaar selbst blieb noch in Stuttgart, um auf die notwendigen Ausreisepapiere und das Visum, das sog. Affidavit für die USA zu warten. Kurz nach der sog. „Reichskristallnacht“ stürmten SS-Männer die Wohnung von Max Rosenfeld: Sie besuchten den Vater Max in seiner Wohnung, weil dieser krank im Bett lag. Da stürmten SS-Männer die Wohnung auf der Suche nach Paul, um ihn zu verhaften. Grete brach in Tränen aus, das rührte die Männer nicht. Erst das Angebot Pauls, ihnen sein neues Mercedes Cabriolet zu überlassen, wenn sie im Gegenzug dafür ihn und die Familie bis zur Ausreise unbehelligt ließen. Darauf stimmten die Männer zu und hielten nach Übergabe des Autos tatsächlich Wort.

Im Dezember 1938 fuhren Paul und Grete mit dem Zug nach Amsterdam holten die Tochter ab. Sie bestiegen in Rotterdam den holländischen Dampfer Staatendam und fuhren nach New York, wo sie im Dezember 1938 völlig mittellos ankamen. Juden durften bei ihrer Ausreise nur 10 Reichsmark pro Person mitnehmen.

Vater Max blieb allein zurück und organisierte den Abtransport des verbliebenen Besitzes. Paul und Grete sahen Max Rosenfeld nie wieder, sie blieben aber in Kontakt. Max Rosenfeld konnte seinem Freund Bernhard Pankok nach Stuttgart berichten, dass Paul schon 1939 Direktionsassistent in einer amerikanischen Textilfabrik geworden war und, dass er mit seiner Familie in einer eigenen Wohnung lebte. 1941 wurde der Familie der Sohn Mark geboren.

Eine Enkelin erklärte in einem Gespräch, dass für die Familie die Erlebnisse der Verfolgung durch Nazi-Deutschland und das Zurücklassen des kranken Vaters Traumata waren, über die die Familie nie sprechen konnte.

Am 8. Juni 1945 wurde Grete und Paul Georg die Amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen. Die Familie änderte ihren Nachnamen in Ronald.

Am 30. Oktober 2024 wurden in der Gustav-Siegle-Str. 3 Stolpersteine für Paul Georg, Grete und Martha Luise Rosenfeld verlegt.

Recherche und Text: Barbara Heuss-Czisch und Jennifer Lauxmann-Stöhr, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Mitte

Wir bedanken uns bei Dr. Kai Artinger dafür, dass wir seine Recherchen verwenden durften, und bei der Familie, die immer zur Unterstützung bereit war, besonders Jeffrey Ronald und dem Staatsarchiv Ludwigsburg.