Paul Kahn, geb. 1.3.1869 in Stuttgart, war Handelsrichter und Fabrikant, Mitbesitzer der “Mechanischen Leinenweberei Laichingen” auf der Schwäbischen Alb mit einer Niederlassung in Stuttgart. Der Stammbaum seiner Stuttgarter Familie Kahn kann bis 1529 zurückverfolgt werden.
Paul Kahn war Ältester von sieben Geschwistern. Ein Bruder starb früh, ein anderer Bruder fiel 1916 bei Sedan als deutscher Soldat, zwei Schwestern wurden 1942 in den Osten verschleppt und dort ermordet, ein Bruder und eine Schwester konnten ins Ausland fliehen.
Paul Kahn absolvierte eine kaufmännische Ausbildung im In- und Ausland, er sprach englisch, französisch und spanisch. Nachdem er sich altershalber aus der Firma zurückgezogen und sein Sohn Rudolf seine Stelle übernommen hatte, konnte er sich mehr seinen Enkeln widmen, die im benachbarten Herdweg wohnten. Im November 1938, nach der Reichskristallnacht wurde die sich seit Generationen im Familienbesitz befindliche Firma in Laichingen “zwangsarisiert”, sie musste quasi “für ein Butterbrot” an einen Parteimann übergeben werden. Schmerzhaft war für ihn auch der Abschied von seinen geliebten Enkeln, dem 6-jährigen Gert und dem 9-jährigen Heinz, die mittels des Kinderrettungsprogramms der Regierung von Großbritannien im Januar 1939 noch ausreisen konnten. Von den Großeltern sind noch vier Briefe an die Enkel in London im Besitz von Heinz Kahn, geschrieben mit der Schreibmaschine auf dem nicht mehr gebrauchten Briefpapier der Mech. Leinenweberei Laichingen. Mit lustigen Geschichten versuchte Paul Kahn die Kinder in der Fremde aufzumuntern. Damit sie die Heimat nicht vergessen, schickte er den Buben Bilder vom historischen Stuttgart.
Seine bereits kranke Frau Rosa hielt den Belastungen nicht mehr lange stand, sie starb am 20.4.1940 erst 64-jährig und wurde auf dem Pragfriedhof begraben. Paul Kahn wurde nach Buchau in eines der jüdischen Sammellager für Alte zwangseingeliefert. Am 12.8.1942 wurde er nach Theresienstadt in der Tschechoslowakei deportiert und dort am 3.10.1942 ermordet.
Recherche & Text: Jörg Kurz, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Nord.
Ausführlich berichtet Jörg Kurz über Paul Kahn und seine Enkel in dem 2006 im Markstein-Verlag erschienenen Buch “Stuttgarter Stolpersteine- Spuren vergessener Nachbarn“. Dort findet sich auch ein Verzeichnis der Quellen zur Geschichte Paul Kahns.
Im Rahmen des Projektes „Frage-Zeichen – Jugendliche im Gespräch mit Zeitzeuginnen des Nationalsozialismus“ wurde 2016 in den USA ein Film mit Henry Kandler, Enkel von Paul Kahn produziert. Den Film finden Sie hier.