Reinhold Stempfle wurde am 24. Februar 1935 in Stuttgart geboren. Seine Eltern waren Martin und Anna Maria Stempfle. Der Vater war Schreiner. Die Familie wohnte in der Klingenstraße 37.
Reinhold war geistig behindert. Die Diagnose lautete “Schwachsinn nach Encephalitis”. Die Eltern kümmerten sich intensiv um ihr Kind.
Der Vater wurde bereits 1939, zu Beginn des 2. Weltkriegs, zum Militär eingezogen. Die Mutter musste sich und Reinhold jetzt allein versorgen. Das Jugendamt setzte sie immer mehr unter Druck, bis sie letztendlich zustimmte, dass Reinhold in eine Anstalt aufgenommen wurde. Am 1. Juni 1942 wurde der Siebenjährige in die staatliche Heilanstalt Zwiefalten gebracht.
Obwohl es in diesen Kriegsjahren sehr schwierig war, besuchte Anna Stempfle ihren Sohn, so oft es ging. Ihr fiel auf, dass Reinhold immer mehr abmagerte. Also brachte sie bei ihren Besuchen auch Essen für Reinhold mit. Sie machte sich große Sorgen um ihren Jungen. Immer wieder erkundigte sie sich in Zwiefalten nach seinem Gesundheitszustand. Ebenso fragte sie nach, ob Reinhold auch wirklich ihre Pakete mit Essen erhalten habe.
Am 27. Oktober 1942 ist Reinhold gestorben. Als Todesursache wurde “Erkrankung der Kreislauforgane” angegeben. Am 30.Oktober wurde er auf dem Anstaltsfriedhof begraben.
Lässt man die Patienten außer Betracht, die in externen Tötungsanstalten ermordet wurden, dann “verstarben” in der staatlichen Heilanstalt Zwiefalten zwischen 1941 und 1945 über 1500 Menschen, also etwa 1 Patient pro Tag. Ursachen waren die katastrophale Überbelegung, die pflegerische Vernachlässigung, die extreme Unterversorgung der Patienten bis zum gezielten Verhungernlassen, aber auch aktive Tötungen z.B. durch Einspritzen von Scopolamin. In den Sterbeurkunden wurde dann meist “Erkrankung der Kreislauforgane” als Todesursache angegeben.
Der Stolperstein für Reinhold Stempfle wurde am 09.10.2017 verlegt.
Die Inschrift lautet:
HIER WOHNTE
REINHOLD STEMPFLE
JG. 1935
EINGEWIESEN 1.6.1942
HEILANSTALT ZWIEFALTEN
ERMORDET 27.10.1942
Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost