In der Hahnstraße 43 wird mit zwei STOLPERSTEINEN für die Brüder Rudolf und Hermann Welsch an den politisch motivierten Widerstand aus der Arbeiterbewegung erinnert. Beide wurden wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD verfolgt.
Rudolf Welsch (Jg.1906), Sattler und Schlosser, war am 6.12.1931 noch in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt worden, konnte sein Mandat aber nicht mehr ausüben. Er musste untertauchen, da die politische Polizei nach ihm fahndete, weil er die Spitzelorganisation des Friedrich Mußgay (damals Chef des Nachrichtendienstes, später Gestapochef und Organisator der Judendeportationen) aufgedeckt und auch den Anwerbeversuch von Mußgay abgelehnt hatte. Nach illegaler Untergrundarbeit in Berlin (u.a. mit Fritz Rau) konnte er 1934 über die grüne Grenze nach Prag und 1937 nach Paris fliehen. In dieser Zeit war er unter den Decknamen Harry und Georg im illegalen Abwehrapparat der KPD tätig. Ab 1939 wurde er in Frankreich mehrmals interniert. Als 1940 die deutschen Truppen einmarschierten, versuchte er vergeblich, sich nach Marokko abzusetzen. Auf dem Gewaltmarsch erlitt er einen Blutsturz und holte sich eine offene Lungen‐TBC, die ihn lebenslang schädigte.
Im Lazarettlager gelang ihm der Anschluss an die Résistance, die ihn in die Schweiz brachte, um ihn dem Zugriff der Gestapo zu entziehen. Im Mai 1945 kehrte Rudolf nach Stuttgart zurück und baute mit seinem Freund Friedrich Schlotterbeck (für dessen in Dachau ermordete Braut Else Himmelheber gibt es seit 2005 einen Stolperstein in der Adlerstraße 24) die Rückkehrerstelle für KZ Häftlinge in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Ärzte‐ und Sanitätshilfe der Centrale Suisse Sanitaire (C.S.S.) auf. Ende 1947 erlitt er einen gesundheitlichen Rückschlag: sein nicht ausgeheiltes Lungenleiden zwang ihn wieder zu einer Kur. Der zunächst auf drei Monate geplante Aufenthalt im Sanatorium Valbella in Davos‐Dorf/Schweiz sollte bis Juni 1949 dauern. Entlassen wurde er schließlich bazillenfrei, doch nur noch zu 50% arbeitsfähig.
Rudolf Welsch litt damals selbst unter akuter Geldnot. Um aber auch für seine betagte Mutter sorgen zu können, musste er jeden noch so kleinen Betrag für Kleidung, Wäsche oder Lebensmittel von der „Deutschen Interessenvertretung in der Schweiz“ oder von der C.S.S. erbitten.
Eine Rente wegen Schaden am Körper oder der Gesundheit wurde ihm verwehrt. Der Gutachter Dr. Heller schrieb hierzu am 19.11.1949 an das Justizministerium Stuttgart, Abt. IV Wiedergutmachung:
„…Es ist mir zweifelhaft, ob man den württembergischen Staat mit einer lebenslänglichen Rente belasten kann für eine Erkrankung, die möglicherweise in einem Lager entstanden ist, das von einem mit Deutschland im Kriegszustand befindlichen Land errichtet worden ist.“
Ab 1951 bis zu seiner Pensionierung leitete Rudolf Welsch eine Kurklinik in Marxzell, wo er 1981 starb. Weder seine Erkrankung (doppelseitige, offene Oberfeldtuberkulose) noch sein Tod wurden von Staats wegen als haft‐ bzw. verfolgungsbedingt anerkannt – so wie bei vielen Verfolgten und Geschädigten des Naziregimes, deren Gutachter und Richter oftmals selbst in die Verbrechen NS‐Staats verstrickt waren.
Rudolf Welsch
Jg. 1906
Im Widerstand / KPD
1934 Flucht Prag
1937 Frankreich
mehrmals interniert
1942 Resistance im Lager
Flucht 1944
Schweiz
Die Laudatio von Gudrun D. Greth für die Familie Welsch anlässlich der Stolpersteinverlegung am 19. Oktober 2022 gibt es hier zum Download oder auch als Podcast.
Recherche und Ansprechpartnerin für diese Verlegung:
Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost: Gudrun D. Greth, gudrun.greth@web.de
Stolperstein-Initiative Stuttgart-Süd, Werner Schmidt, werner.schmidt@t-online.de