Hermann ( Hersz Baer) Singer-Jorysch geb. 01.08.1885 in Podwoloczyska, Galizien, ein Gebiet im Vorland der Karpaten/Österreich, ab 1921 Polen.
Ehefrau Sabine Singer-Jorysch geb. Probe, geb. 25.02.1893 in Tarnopol Galizien/Österreich, heute Ternopil/Ukraine.
Vater: Osias Prober.
Mutter: Jeanette Prober, geb. Ochs.
Hermann und Sabine heirateten am 06.10.1918 in Tarnopol/Polen.
Tochter: Klara, genannt Klärchen (Jael) geb.28.06.1921 in Stuttgart- Bad Cannstatt, 1939 Auswanderung nach Palästina: Volkschullehrerin, verheiratet mit Zeev Werner Frank, eingebürgert 9/1946 in Palästina: Kfar Jedidia.
Sohn: Manfred Singer-Jorysch, geb. 12.12.1923 in Stuttgart, Kaufmann.
Gefallen im Palästinakrieg am 11.06.1948. Er war verheiratet mit Miriam Tubin, geb. Flanter, geb. 29.06.1925. Sdeh Warburg Daor Kfar Aba/Israel. Als Schwiegertochter war sie nicht erbberechtigt.
Somit erhielt die Enkelin Ronith Nechama Singer Jorysch, geb. 22.11.1948 im Kibbuz Maabaroth/Israel Entschädigungsanteil durch das Schicksal der Großeltern.
Staatsgründung Israel: 15.05.1948.
Hermann Singer-Jorysch war Kaufmann und Elektomeister. Er hatte sich ein gutes Geschäft aufgebaut: Die Firma Singer & Co. OHG, Elektromotoren- Instandsetzung. In Bad Cannstatt, Pragstr. 6 waren Geschäftsräume, eine Sprechstelle in der Eisenbahnstr. 6 und das Büro, unter Leitung von Frau Sabine, in der 4-Zimmer-Wohnung Alexanderstr. 161; das Haus war in ihrem Besitz. Es war ein gut organisiertes Familienunternehmen.
Unter den politischen Verhältnissen begann es Anfang der 30er Jahre zu kränkeln.
Ab April 1933 wurde gespart, indem mehr von der Alexanderstrasse aus disponiert wurde.
Nach Aussagen eines ehemaligen befreundeten Mitarbeiters, Immanuel M., der mit seiner Familie im Haus wohnte, funktionierte das Geschäftmodell wie folgt:
„Die Firma war eine Art Versicherungsunternehmen. Die Mitglieder waren Motorenhalter aus den unterschiedlichsten Gewerbebetrieben, die eine bestimmte Versicherungssumme an die Firma bezahlten und dafür hielt Singer & Co. die Motoren instand und führte Reparaturen aus (…). Die Höhe der Beträge richtete sich nach den PS der zu versichernden Motoren (…). Von der Firma wurden Vertreter hinausgeschickt, die ständig neue Mitglieder warben. (…) Das Geschäft florierte sehr gut. Erst der Boykott beeinflusste das Tagesgeschäft in zunehmenden Maß“
Ab 1937 befasste sich die Familie mit dem Gedanke, einen „arischen“ Teilhaber in das Geschäft zu nehmen; das misslang. Die Kunden blieben weg und am 15.02.1939 wurde das Unternehmen aus dem Handelregister getilgt; es bestand in dieser Form seit 01.09.1930. Vorher hatte Immanuel M., geb. 24.04.1902 in Oeschellbronn, am 01.06.1939 einen Vertrag mit Singer-Jorysch unterschrieben, mit dem er die Firma, die ausstehenden Forderungen der Schuldner und den Kundenstamm übernahm, sodass das Geschäfte am 16.02.1939 beurkundet werden konnte.
Geschichtlicher Abriss zur Ausweisung jüdischer Polen.
Auszug aus dem Buch „Der Verlust“ von Thomas Urban in der Beckschen Reihe.
Die Nazis nannten es «Polenaktion», das Codewort sollte auf die Ausweisung von Polen unter Bismarck anspielen.
Doch betraf die Vertreibungsaktion von Ende Oktober 1938 ausschließlich Juden, die polnische Staatsbürger waren.
Die Aktion ist ein schwarzer Fleck indes nicht nur in der deutschen, sondern auch in der polnischen Geschichte: Die NS-Behörden, die nicht nur mit administrativen, sondern auch kriminellen Methoden die jüdischen Bürger drangsalierten, wollten Juden polnischer Staatsangehörigkeit nicht länger dulden; die Regierung in Warschau, die Juden auf vielfältige Weise diskriminierte, wollte sie überhaupt nicht aufnehmen.
Ein Teil der insgesamt 17000 Vertrieben Juden musste im Niemandsland im Grenzstreifen ausharren, ein anderer Teil wurde für einige Monate in Polen interniert. Die meisten der Ausgewiesenen wurden während des Krieges von den deutschen Besatzern ermordet.
Die «Polenaktion» war somit Auftakt zum Holocaust.
Durch die politischen Umbrüche und die damit verbundenen sich verändernden Staatsgrenzen im östlichen Europa war es für Hermann Singer-Jorysch und Frau Sabine nicht selbstverständlich, dass sie jetzt Polen sein sollten und ihre Kinder auch nicht die Sprache kannten. Noch 1921 waren ihre Pässe im österreichischen Konsulat in München erneuert worden. Bei allen polnischen Stellen wurden sie als Polen angesehen und in Deutschland ebenfalls.
Die Eheleute Singer-Jorysch wurden am 28. Oktober 1938 „abgeschoben.“ Hermann durfte 1939 nochmals zurückkehren, um die Firma abzuwickeln. Immanuel M. hielt für einige Zeit schriftlichen Kontakt und berichtete über die weitere Entwicklung. Ihn belastete, dass kein Geld herein kam. Die säumigen Kunden sahen in dieser Situation keine Veranlassung zu zahlen. Als Folge konnte der neue Inhaber seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommen.
Für die Verfolgten war das nun uninteressant. Sie kamen über Lotz nach Warschau in das Ghetto, das nach den vorliegenden Unterlagen und Berichten am 15.11.1940 von der übrigen Stadt abgeschlossen war. Die letzte Nachricht aus Warschau stammt von Juli 1942. Danach gab es kein Lebenszeichen mehr – verschollen!
Das Todesdatum wurde amtlicherseits auf 31.07. 1942 festgelegt.
Hermann Singer-Jorysch erreichte ein Alter von 57 Jahren.
Sabine Singer-Jorysch kam im Alter von 49 ums Leben.
Und die zurückgebliebenen Kinder?
Klara musste 1937 die Oberschule in Stuttgart mit der Untersekunda verlassen und arbeitete 13 Monate in einem Hachschara – Gut bei Steinau.
Klara war zum Zeitpunkt des vermuteten Todesdatums der Eltern 21 Jahre alt. Klara rettete sich März 1939 nach Palästina. – Ihr Berufsziel war Lehrerin. Für die Ausbildung fehlte das Geld. – Die Eltern waren tot. Sie war inzwischen mit Werner Frank verheiratet, aber der war beim Militär. Vier Jahre – bis 1943 – war sie Praktikantin für Kinder-Pflege und -Psychologie, um dann das Studium zur Pädagogin abschließen zu können.
Antrag auf Einreise nach Palästina: Klärchen Singer-Jorysch und Werner Frank, Monteur, geb. 20.12.1915 in Manheim
Auf das Schicksal von Manfred Singer-Jorysch ist bereits hingewiesen; sein Leben währte 25 Jahre.
Den Antrag auf Entschädigung stellte Klara Frank bereits 1946 in Palästina.
Erst 1950 kamen die Unterlagen aus Tel- Aviv/Israel an die richtige Behörde in Deutschland. Ab da kümmerte sich Ehemann Zeev Werner Frank um die Entschädigung. Es ging ja auch um die Nichte Miriam Singer-Jorysch für die Zeev Frank die Vormundschaft übernommen hatte. Er kam mehrmals nach Stuttgart um Rechtansprüche aus der Entschädigung zu regeln, übernahm Informationen und Unterlagen von Immanuel M.,Alexandrstr. 161, vertrat in laufenden Rechtsfragen um Grundstücke Jordanstr.9/Franfurt und in Nürnberg seine Familie. – Die URO die United Restitution Organisation hatte hier ihren Sitz.
Recherche und Text: 2012, Gebhard Klehr, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Süd.
Quellen, auch für Fotos und Dokumente: Staatsarchiv Ludwigsburg.
Stadtarchiv Stuttgart.
Die Grunddaten wurden ermittelt, Gedenksteine finanziert und verlegt durch Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost, 4/2004.
Anmerkung: Hachschara ist eine Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in einem Kibbuz in Palästina. – Es ist nicht bekannt, um welchen Ort Steinau es sich handelt.