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Sofie Klenk, Manfredstr. 17

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 09.05.2007: 

“Ein Paukenschlag ist wie Nachdenken”.
Achtklässler aus Luginsland gestalten eine Gedenkfeier für die Widerstandskämpferin Sofie Klenk
 
Was haben 14- und 15-jährige Hauptschüler mit einem Naziopfer zu tun, das vor 63 Jahren in Dachau vergast wurde?  Einiges, wie sich bei der Verlegung eines Stolpersteins für die Widerstandskämpferin Sofie Klenk zeigte.  Auch sie war in Luginsland zu Hause.

Von Inge Jacobs

Die Manfredstraße ist ein kleines Wohnsträßchen in Luginsland.  Vor der Hausnummer 17 steht eine Menschentraube.  Nicht nur Ältere haben sich gestern Nachmittag hier eingefunden.  Auch eine achte Klasse der Luginslandschule ist da, mit Trommeln im Gepäck und vielen kleinen gelben Täfelchen.  Darauf steht wie auch auf dem glänzenden Stolperstein, den der Künstler Gunter Demnig vor dem Haus eingelassen hat:  “Hier wohnte Sofie Klenk, Jahrgang 1904, Gestapohaft 27.11.1944, KZ Dachau ermordet 30.11.1944.”  Mehr nicht.

Die Schüler haben Angst vor ihrem Auftritt.  “Angst davor, dass jemand lacht und dass uns dann alles versaut wird”, sagt Tugba.  Aber niemand lacht.  Es gibt auch keinen Anlass dafür.  Die Achtklässler machen ihre Sache gut.  Nach dem Blechbläserquartett und einführenden Worten der Initiative Stolperstein sind sie dran.  Ein Schüler beginnt zu trommeln, dann kommt ein zweiter, dritter hinzu.  Nur diese Trommeln.  Mit fester Stimme trägt Tugba vor, was sie gemeinsam vorbereitet haben:  dass Sofie Klenk am 12. Mai 1904 in Cannstatt geboren wurde, in der Manfredstraße 17 gewohnt hat und mit 40 Jahren in Dachau wegen Vorbereitung zum Hochverrat hingerichtet wurde, mit Freunden und Nachbarn.

Die Schüler können sich schwer vorstellen, dass es eine Zeit gab, in der Menschen wie Sofie Klenk ermordet wurden, nur weil sie manchmal mit ihren Nachbarn, den Schlotterbecks, Auslandssender gehört hatte und anderen Menschen helfen wollte.  Aber sie haben begriffen, dass die Angst damals sehr groß gewesen sein musste, wenn sogar Sofies Ehemann Karl aus Furcht vor der Gestapo darauf verzichtete, seine Frau aus dem Arbeitslager in Rudersberg zu befreien.

“Sofie Klenk war mutig”, trägt Anna vor.  “Wir verneigen uns”, sagt Ajdin.  “In Sofie Klenks Haut hätten wir nicht stecken wollen”, sagt Sebastian.  “So etwas darf nie mehr passieren”, so Sarah.  “Wir wollen keinen Krieg”, ruft Andreas.  “Wenn wir morgens aufwachen, müssen wir keine Angst haben”, sagt Abed.  “Niemand hat das Recht, zu töten oder über das Leben anderer Menschen zu bestimmen”, sagt Albert.  “Wir verneigen uns”, wiederholt Ajdin.  Und dann setzen wieder die Trommeln ein.  Unerbittlich.  Danach der Applaus – für die Schüler.

Wären sie damals auch so mutig gewesen?  “Allein vielleicht nicht, aber vielleicht mit anderen zusammen”, meint Sebastian.  Die Idee mit den Trommeln hatten die Schüler selbst.  “So ein Paukenschlag, das ist wie ein Nachdenken”, sagt Sebastian.  “Und der Satz ,Wir verneigen uns” ist ja der Sinn der Sache – das tut man ja automatisch, wenn man auf den Stolperstein runterguckt. “Ihre Lehrerin Ulrike Holoch-Karpf ist glücklich über den Auftritt:  “Für mich war das wie ein Geschenk.”  Und ihre Achtklässler planen jetzt eine Fahrt nach Auschwitz.
Fritz Endemann
Aktualisiert: 09.05.2007, 06:13 Uhr