Marianne (Sara) Scholz, geb. Donner geboren am 3.3.1860 in Wittmund (Ostfriesland, Aurich). Sie ist Volljüdin, d.h. beide Elternteile sind jüdischer Herkunft. Marianne Scholz lebt seit 1904 in Feuerbach, zunächst im Gewann Banzhalde 6 und seit dem Jahr 1935 (oder 1933) in der Tannenäckerstraße 33. Marianne ist verheiratet mit Paul Scholz. Das Ehepaar hat eine gemeinsame Tochter, die Paula heißt.
Marianne stammt aus einfachen Verhältnissen. Ihr Vater Louis Donner ist Landwirt von Beruf und Metzgermeister in Wittmund. Marianne erhält eine solide 4-jährige Gesangsausbildung in Berlin am Professor-Leruschen-Konservatorium. Bevor sie im Jahr 1903 ein Engagement als Chorsängerin (Alt 1) an der Königlichen Hofoper Stuttgart erhält, singt sie seit dem Jahr 1888 vermutlich solistisch an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. In der Personalakte, die im Staatsarchiv Ludwigsburg aufbewahrt wird, befindet sich eine von Marianne handgeschriebene Aufzählung von ca. 30 Opernpartien, wobei jeweils die Rolle vermerkt ist, die sie gesungen hat.
Mit ihrem Wechsel nach Stuttgart wechselt auch ihr Mann, der als Souffleur an beiden Stuttgarter Häusern, an der Oper und am Schauspielhaus, arbeitet. Marianne ist zunächst bis August 1908 unter Vertrag. Weitere Dienstverträge an der Stuttgarter Oper folgen. Im Februar 1918 verleiht der Generalintendant des Hoftheaters Frau Chorsängerin Marianne Scholz zu ihrem 60. Geburtstag eine Urkunde mit folgendem Text: “Seine königliche Majestät haben aus Anlaß des Allerhöchsten Geburtsfestes Ihnen das Charlottenkreuz allergnädigst zu verleihen geruht.”
Vor ihrer Pensionierung als Sängerin erhält Marianne Scholz lt. Erlass des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens vom 17.5.1922 ein Schreiben, datiert vom 29.5.1922, in dem steht, dass sie zum 1. August 1922 in den bleibenden Ruhestand versetzt wird.
Wegen ihrer jüdischen Herkunft wird Marianne Scholz am 10. Januar 1944 im Alter von 84 Jahren von der Gestapo aus ihrem Haus in der Tannenäckerstraße 33 geholt und einen Tag später nach Theresienstadt deportiert. In einer eidesstattlichen Erklärung, nach 1945 abgegeben, führt Lisa Baatz, geb. Kramaroff, mit Marianne Scholz bekannt und selber Überlebende von Theresienstadt, gegenüber dem Stuttgarter Notar Dr. Benno Ostertag Folgendes aus: “Wir (Marianne und ich) sind im Januar 1944 zusammen in das Konzentrationslager Theresienstadt von der Gestapo abgeschleppt worden, nur deshalb, weil wir Juden waren. Dort habe ich sie betreut. Sie ist in meiner Gegenwart gestorben. Ich habe mich mit Frau Scholz regelmäßig unterhalten. Dabei erzählte sie mir, dass sie bis zu ihrem Abtransport bei ihrem Schwiegersohn, Herrn Eugen Maurer und dessen Ehefrau Paula Maurer, geborene Scholz, welche ihre Tochter war, in Stuttgart-Feuerbach, Tannenäckerstraße 33 gewohnt habe. Trotzdem sie Jüdin war, habe ihr Schwiegersohn sie in der häuslichen Gemeinschaft aufgenommen und immer sehr gut und lieb für sie gesorgt. Dadurch habe er ebenfalls viele Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten gehabt. Seine Verwandten seien mit ihm, weil er mit seiner Schwiegermutter zusammenlebte, während des Dritten Reiches nicht mehr zusammengekommen. Trotzdem habe er Frau Marianne Scholz, was sie immer wieder anerkannt habe, die Treue gehalten.”
Marianne Scholz ist im KZ Theresienstadt buchstäblich verhungert. Sie wird auf den 3. Juli 1944 für tot erklärt.
Zum Gedenken an 23 in der Zeit des Nationalsozialismus verfemte, verfolgte und ermordete Angehörige der Staatstheater Stuttgart wurde am 7. April 2016 im Rahmen einer Gedenkstunde die bronzene Wandtafel “Verstummte Stimmen“ im Foyer des Opernhauses enthüllt. Zuvor sprach der Historiker Hannes Heer über die Schicksale der 23 Betroffenen, für die er eine Ausstellung kuratiert hatte. Auf der Tafel steht auch der Name Marianne Scholz.
Recherche und Text: Heinz Wienand, Stolperstein-Initiative Feuerbach/Weilimdorf
An Marianne Scholz erinnert ein StolperKunst-Video des KopfschüttelKollektivs Manoel Tavares, Laura Kifferle und Fred Collant. Das Video finden Sie hier.