Mutter und Tochter, Rosenbergstraße 136 B, Stuttgart-West
Mutter
Julie Brandenburger, geborene Feigenheimer
Geboren am 20. Juli 1887 in Backnang
Eheschließung am 22.10.1912 in Backnang mit Jacob Brandenburger
Witwe seit 17. Mai 1941
Kind: Gertrud Brandenburger *1913
Deportation am 1. Dezember 1941 nach Riga
Tod: Ort und Zeitpunkt unbekannt
In Backnang wuchs Julie Feigenheimer mit sechs Geschwistern auf. Bei ihrer Eheschließung am 22. Oktober 1912 waren ihre Eltern, Julius Feigenheimer und Emma, geborene Gidion, bereits verstorben.
Das Ehepaar Julie und Jacob Brandenburger wohnte dann in Stuttgart: zunächst 1914 in der Tübinger Straße, später in der Johannesstraße, und 1923 zog die Familie Brandenburger in die Rosenbergstraße 136/2, heute 136 B. Der Ehemann, Jacob Brandenburger, hatte dort ein Grundstück gekauft und für sich und seine Familie ein zweistöckiges Einfamilienhaus gebaut. Er betrieb eine Holzagentur. Dem Ehepaar wurde am 09. Juli 1913 eine Tochter, Gertrud, geboren. Sie blieb das einzige Kind.
Jacob Brandenburger, der am 05.09.1875 in Brooklyn/USA geboren wurde, starb am 17. Mai 1941 in Stuttgart. Sein Grab befindet sich auf dem Pragfriedhof in Stuttgart. Seine Eltern, Samuel und Berta Brandenburger, hatten in Brooklyn ihr Zuhause und waren 1912 bei seiner Eheschließung schon verstorben. Ein Bruder von Jacob, Louis Brandenburger, lebte auch in Deutschland. Er zog 1936 mit seiner Familie von Rottweil nach Stuttgart und konnte noch rechtzeitig mit seiner Ehefrau nach Südafrika zu einem Sohn entkommen.
Julie Brandenburger hatte engen Kontakt zu ihrer sieben Jahre jüngeren Schwester Martha, die ebenfalls mit ihrer Familie in Stuttgart ansässig war. Zuletzt wohnte die Schwester Martha Bruchsaler, geborene Feigenheimer, in der Nähe von Julie Brandenburger, nämlich in der Rosenbergstraße 105. Sie wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet. Eine frühere Hausangestellte der Familie Feigenheimer in Backnang besuchte die beiden Schwestern noch vor ihrer Deportation, um sich von ihnen zu verabschieden. Ein Bruder überlebte das KZ Theresienstadt und wohnte nach der Rückkehr aus dem Konzentrationslager wieder in Backnang. Die anderen Geschwister konnten rechtzeitig in die USA emigrieren.
Gemeinsam mit ihrer Tochter Gertrud wurde Julie Brandenburger am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Von diesem Zeitpunkt an verliert sich jede Spur.
Ihr Haus in der Rosenbergstraße 136 B wurde “durch Verfügung der geheimen Staatspolizei Stuttgart vom 24.11.1941” vom Deutschen Reich beschlagnahmt.
Tochter
Gertrud Brandenburger
Geboren am 09. Juli 1913 in Stuttgart
Ledig
Deportation am 01. Dezember 1941 nach Riga
Tod: Ort und Zeitpunkt unbekannt
Gertrud Brandenburger war das einzige Kind der Eheleute Jacob und Julie Brandenburger. Ihre Heimat war Stuttgart. Hier ging sie in die Schule, und hier hatte sie ihre Spielgefährten. Als Gertrud zehn Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihr in das neu gebaute eigene Haus in der Rosenbergstraße 136 B. Gertrud wuchs sicherlich wohlbehütet und umsorgt auf. Auf ihre Erziehung wurde großen Wert gelegt. Nach Berichten aus den 50er Jahren befand sich im Haus der Familie Brandenburger ein Klavier, so dass anzunehmen ist, dass Gertrud Klavierunterricht erhielt.
Sie heiratete nicht und wohnte immer im Haushalt der Eltern. Vielleicht half sie ihrem Vater bei den Büroarbeiten. Aufzeichnungen bzw. Überlieferungen darüber gibt es jedoch nicht. Nach dem Tod des Vaters im Mai 1941 wohnte sie allein mit der Mutter im Haus. Bald darauf erhielt sie die Aufforderung, sich Ende November 1941 bei der Sammelstelle auf dem Stuttgarter Killesberg einzufinden. Am Morgen des 1. Dezember 1941 ging dann der Weg ins Tal zu der Verladestelle am Stuttgarter Nordbahnhof. Am selben Tag ging von da aus der Transport nach Riga ab. Gemeinsam mit ihrer Mutter saß sie in diesem Zug, der in den Tod führte.
Gertrud Brandenburger war 28 Jahre alt. Es gibt keine weiteren Nachrichten von ihr.
Eine Todeserklärung wurde auf den 8. Mai 1945 ausgestellt, beantragt von Verwandten in den USA.
Text & Recherche: Margot Weiß
Stolpersteininitiative Stuttgart-West
Frühjahr 2009
Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart,
Hauptstaatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten,
Standesamt Stuttgart,
Internationaler Suchdienst Bad Arolsen.