Arthur Ascher wurde am 10.3.1872 in Stuttgart geboren. Seine Eltern Hermann Ascher “seit 1879 nannte er sich Handschuhfabrikant” und Lina Ascher, geb. Gut, wohnten zu der Zeit in der Kasernenstraße, der heutigen Leuschnerstraße. An vielen verschiedenen Orten im Westen, in Mitte und im Süden Stuttgarts wuchs der Junge auf. Er hatte zwei Geschwister, den Bruder Louis und die 1883 geborene Schwester Gertrud.
Arthur wurde Kaufmann wie sein Vater und blieb unverheiratet. 1909, er ist 37 Jahre alt, erscheint sein Name erstmals selbständig mit Wohnung in der Tübinger Straße 25 als Kaufmann mit Vertretungen. Ob er bis dahin immer bei seinen Eltern gewohnt oder zeitweise auch außerhalb Stuttgarts lebte, ist unbekannt. Nach dem Tod seiner Mutter 1903 wohnte er zusammen mit seinem Vater, der sich mit 66 Jahren zur Ruhe gesetzt hatte und sich nun Privatier nannte, bis zu dessen Tod im Jahr 1913. Die Eltern sind auf dem Israelitischen Teil des Pragfriedhofs begraben.
Arthur Ascher betrieb sein Agenturgeschäft weiterhin von wechselnden Wohnadressen aus, bis er 1931 in der Weißenburgstraße 2 B, 2. Stock für eine vergleichsweise lange Zeit, bis 1938, sesshaft wurde. Es sollte seine letzte selbstbestimmte Wohnung in Freiheit werden, auch wenn die Einschränkungen für Juden Ende 1938 schon beträchtlich waren: er durfte nicht mehr Theater, Konzerte und Kinos besuchen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, musste die erste von fünf Raten der Judenvermögens-Abgabe bezahlen, der Zusatz “Israel” beim Vornamen kennzeichnete ihn als Juden …
Sein Bruder Louis war frühzeitig in die USA ausgewandert und 1930 in Chicago gestorben.
Die Schwester Gertrud Behrendt, geb. Ascher, emigrierte 1931 nach Frankreich und stellte nach dem Krieg die Wiedergutmachungs-Anträge von Paris aus. Sie berichtet von einem letzten Beisammensein in einem Hotel in Kehl im Mai 1938. Arthur Ascher übergab dem Ehepaar Behrendt sein Testament. “Der Grund, weswegen wir uns in Kehl trafen, war, dass er kein Visum für Paris mehr bekam.” Ein Fluchtversuch war also gescheitert.
1939: “die Juden werden bereits vom Statistischen Amt der Stadt Stuttgart in der Büchsenstraße 19 A in eigenen Listen, den “Judenlisten” geführt” muss er seine Wohnung in der Weißenburgstraße verlassen und in die Büchsenstraße 107 ziehen. Es ist dies das Haus der jüdischen Kaufmannswitwe Regina Abendstern, in das nun andere Juden gezwungen werden, separiert von den “Ariern” und konzentriert für eine spätere Abholung, ein sogenanntes Judenhaus. Eberhardstraße 1, der Besitzer ist der jüdische Kaufmann Julius Baer, ist wenig später die nächste Unterkunft. 1940 wird er in der ehemaligen Villa des jüdischen Herrenkleiderfabrikanten David Dreifus “der 1939 noch ausreisen durfte” in der Gerokstraße 17 mit 16 anderen Juden zusammengepfercht. Die Nazis hatten die Villa zum “Isr. Altersheim” umfunktioniert. Lenzhalde 84, das Haus der jüdischen Fabrikantenwitwe Berta Sichel, ist 1941 die letzte Bleibe in Stuttgart für den knapp 70Jährigen und viele andere jüdische alte Menschen, das vierte “Judenhaus” für Arthur Ascher.
Am 25.3.1942 muss er, zusammen mit der gleichaltrigen Hausbesitzerin Berta Sichel und den anderen Bewohnern, seine Heimatstadt verlassen. In Tigerfeld auf der Alb südlich von Münsingen hatte man in einem ehemaligen Amtshaus des Klosters Zwiefalten ein “Jüdisches Wohnheim” eingerichtet, in dem die alten Menschen nun auf ihren Abtransport warten müssen.
Die Deportation nach Theresienstadt erfolgt am 22.8.1942 mit diesem großen Transport von ca. 1100 alten Menschen. Ein bis zwei Tage vorher hatte man sie aus allen “jüdischen Altersheimen” im Land ins Sammellager auf den Killesberg gebracht, wo sich in den Nächten vor dem Abtransport schreckliche Szenen abspielten und mindestens acht Menschen starben, wie eine Überlebende berichtet. Es ist der dritte Transport, der vom Inneren Nordbahnhof ausgeht (zeitlich nach Riga 1.12.1941 und Izbica 26.4.1942), am 23. August kommt er in Theresienstadt an.
Wer in Theresienstadt nicht bald an Hunger, Krankheiten und der erbärmlichen Unterbringung stirbt oder sich nützlich machen kann, wird weiterdeportiert in die Vernichtungslager.
Für Arthur Ascher geschieht das bereits nach einem Monat. Am 23.9.1942 wird er ins Vernichtungslager Treblinka mit seinen zuletzt zehn Gaskammern nordöstlich von Warschau geschickt.
Recherche und Text: 2008 / Irma Glaub, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Süd.
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Stadtarchiv Stuttgart.