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Ella und Adolf Laemle, Bismarckstr. 77

Adolf Laemle wurde am 30. Juni 1880 als Sohn des Ehepaars Jachiel, genannt Isidor, und Karoline geborene Herz in Bretten geboren. Er hatte einen Bruder, Moritz, dieser kam am 16. Juni 1883 zur Welt.
1905 meldete der Vater Isidor seinen Wohnsitz in Bretten ab. 1907 wird er erstmals im Stuttgarter Adressbuch erwähnt. Es ist anzunehmen, dass die beiden Söhne, Adolf und Moritz, mit nach Stuttgart zogen.

Adolf Laemles Beruf wird zunächst als Fabrikant angegeben, später wird von Vertreter und dann von Packer geschrieben. Sein Großvater hatte 1849 in Bretten eine Eisenwarenhandlung eröffnet, aus welcher später die Brettener Herdfabrik MALAG hervorging. Im Adressbuch von Feuerbach aus dem Jahr 1907 findet sich erstmals der Eintrag „Laemle & Söhne, Ofen- und Herdfabrik, Eisenwaren, oHG, Ulrichstraße 5a, Feuerbach. Teilhaber: Isidor, Adolf und Moritz Laemle in Stuttgart“. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Herdfabrik „Laemle & Söhne“ in Stuttgart- Feuerbach unzweifelhaft um eine Filiale der Herdfabrik in Bretten handelte. 1933 existierte diese Firma laut Adressbuch nicht mehr.

Am 19. Januar 1911 heiratete Adolf Laemle Ella, geborene Koch.

Ella Laemle, geborene Koch, wurde am 3. Mai 1889 in Alzey in Rheinhessen geboren. Über ihre Kindheit, Jugend und ihre Herkunftsfamilie konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. In ihrem Geburtsort gab es eine jüdische Gemeinde mit langer Tradition. Es sollen bereits im 14. Jahrhundert Menschen jüdischen Glaubens dort gelebt haben.

Dem Ehepaar wurde am 25. Dezember 1911 eine Tochter geboren, Margarete. Sie blieb das einzige Kind der Eheleute.

Seit 1911 wird auch die Familie Adolf Laemle im Adressbuch der Stadt Stuttgart geführt. Zunächst wohnten sie in der Eberhardstraße 16 und ab 1914 in der Friedhofstraße 2. Dann zogen sie 1932 in die Bismarckstraße 77 im Stuttgarter Westen. Die Tochter Margarete war inzwischen zum Studium der Medizin nach Freiburg und weiter nach Kiel und dann Würzburg gegangen.

Bei der Verhaftungswelle nach der Reichspogromnacht im November 1938 wurde Adolf Laemle auch festgenommen und vom 12.11. bis 26.11.1938 im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. Häftlingsnummer: 23 589, Kategorie: „Sch“ (Schutzhaft) und „J“ (Jude).

In ihrer Wohnung in der Bismarckstraße 77 konnten sie nicht bleiben. Jetzt wurden sie gezwungen, in ein sogenanntes „Judenhaus“ umzuziehen. Die nicht frei gewählte Wohnung, in die sie noch 1939 einziehen mussten, war in der Rosenbergstraße 105. Wenige Monate vor der Deportation mussten sie nochmals umziehen und zwar in das „Judenhaus“ Eberhardstraße 1.

Ihre Tochter wollte zu ihrem Verlobten, der 1937 nach Südafrika ausgewandert war. Dies konnte nicht verwirklicht werden, so dass sie im Mai 1939 nach England emigrierte. Erst 1947 konnte sie zu ihrem Verlobten, Herbert Kahn, übersiedeln und heiraten. Ihnen wurden zwei Kinder geboren.

Noch 1940 dachte das Ehepaar Laemle, dass es auswandern könnte. Sie schickten Gepäckstücke nach Italien. Vermutlich sollten diese auf ein Schiff in Genua gebracht werden, aber sie blieben in der Schweiz hängen. Von dort erhielt Ihre Tochter sie nach dem 2. Weltkrieg zurück.

Am 26. April 1942 wurden Ella und Adolf Laemle vom Stuttgarter Nordbahnhof aus nach Izbica deportiert.

„Nach Izbica kamen die Juden in der Nacht. Es gab in Izbica viele Juden. Jedes Zimmer, in welches man ging, war voller Menschen und jeder saß auf seinem Gepäck. Izbica sah aus wie ein Bahnhof mit vielen wartenden Menschen. Fast das ganze Jahr 1942 hindurch war Izbica für zahlreiche Juden der Vorhof zu den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor, wo sie ermordet wurden.
Sie verbrachten nach der Deportation aus ihren Heimatländern einige Wochen oder Monate in dieser kleinen jüdischen Stadt. Izbica liegt direkt an der Bahnlinie zwischen Lublin und Belzec und war eine der Umschlagstationen, an der die Menschen auf die Züge in den Tod warten mussten.“
(Aus Wikipedia.)

Wann und ob sie von Izbica in ein Vernichtungslager im Kreis Lublin – Belzec oder Sobibor – weiter transportiert wurden, ist nicht bekannt.
Die Spur verliert sich mit dem Transport nach Izbica. Sie wurden ermordet, oder sind – wie es in den Unterlagen heißt – „in der Deportation umgekommen“. Die deutschen Gerichte wollten in den 50er Jahren den Todestag auf den Deportationstag, 26.04.1942, festlegen. Ellen und Adolf Laemle waren jedoch lebens- und arbeitsfähig, als sie deportiert wurden. Im April 1943 wurde das Lager Izbica liquidiert. Es könnte sein, dass sie bis dahin gelebt haben.

Die Tochter Margarete Kahn, geborene Laemle, übersiedelte 1965 von Südafrika mit ihrer Familie nach Israel. Ihre Kinder Hava Shahar (Eva geborene Kahn) und Shmuel Cohen (Samuel Kahn), die Enkelkinder von Ella und Adolf Laemle, kamen im Juli 2011 nach Stuttgart, um für ihre Großeltern vor den Stolpersteinen, einem Erinnerungsplatz, ein Kaddisch zu sprechen.


Stolpersteininitiative Stuttgart-West/2011, Margot Weiss

Die Recherche und die Gestaltung der Verlegung führten Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs vom Wirtschaftsgymnasium Stuttgart-West innerhalb einer Projektarbeit durch.

Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart – Adressbücher, Judenlisten, Deportationsliste.
Staatsarchiv Ludwigsburg – Entschädigungsakten.
Stadtarchiv Bretten.