Bertha Reis, geborene Fellheim
Geburt: Im Mai – wahrscheinlich am 14.05.1861 – in Burgkunstadt.
Tod: am 10. September 1942 in Theresienstadt.
Berthas Eltern Wolfgang Fellheim und Marthilde, geborene Rothschild, lebten in Burgkunstadt, einer Gemeinde, in der schon seit dem Mittelalter Juden ansässig waren. Dort wuchs Bertha auf. Über ihre Jugend und ihre Herkunftsfamilie konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.
In Pflaumloch im Ries (heute Gemeinde Riesbürg) heiratete sie im April 1880 Gustav Reis. Gustav Reis war am 8. Mai 1850 in Wollenberg/Baden bei Bad Rappenau geboren worden. Bertha war zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung knapp 19 Jahre, ihr Ehemann 30 Jahre alt.
Dem Ehepaar Bertha und Gustav Reis wurden zwei Töchter geboren. Hedwig am 5. März 1881 (Hedwig Neuhäuser geb. Reis) und Paula am 19. Dezember 1882. Beide Mädchen kamen in Cannstatt zur Welt.
Gustav Reis 1922
Foto: Staatsarchiv Ludwigsburg
Gustav Reis war bereits 1876 im Cannstatter Adressbuch eingetragen. Damals wohnte er in der Seelbergstraße 29, der gleichen Adresse wie die seines Vater Aron Reis, der eine Bettenhandlung hatte. Es ist also anzunehmen, dass das junge Paar 1880 nach Cannstatt zog. 1885 ist Gustav Reis mit seiner Familie in der Waiblingerstraße 16 zu finden. Dort blieb die Familie bis 1922 wohnen. Bertha war Hausfrau, und Gustav betrieb eine Bettenfabrik, ebenfalls in der Waiblingerstraße 16.
1922 oder 1923 zogen die beiden nach Stuttgart-West in die Kornbergstraße 39. Vermutlich gab Gustav Reis um 1922, er war inzwischen 72 Jahre alt, die Bettenfabrik auf. Sie wohnten nun ganz in der Nähe ihrer Tochter Hedwig, die mit Elias Neuhäuser verheiratet war.
Enkelkinder wurden geboren, und vielleicht war es Bertha und ihrem Ehemann vergönnt, einige angenehme Jahre im Alter zu verbringen.
Nach dem Tod des Schwiegersohnes Elias Neuhäuser 1931 zogen Bertha und Gustav Reis 1933 zu der Tochter Hedwig in die Wohnung Hölderlinplatz 14. Es ist möglich, dass Gustav Reis bereits krank war und Bertha Reis die Unterstützung der Tochter Hedwig benötigte. Am 23. Dezember 1933 starb 83jährig dann Berthas Ehemann Gustav. Er wurde auf dem jüdischen Teil des Stuttgarter Pragfriedhofes beerdigt.
Bertha Reis war sicherlich froh, dass sie die Unterstützung ihrer Tochter hatte; vor allem auch dann, als sie 1937 oder 1938 aus der Wohnung Hölderlinplatz 14, die inzwischen zur Dillmannstraße 29 geworden war, auszogen, um in das von der Tochter Hedwig und Salomon Felheim gekaufte Haus in der Rosenbergstraße 149 einzuziehen. (Salomon Felheim, der in den Urkunden mit einem einfachen l geschrieben wird, war vielleicht ein Verwandter.) Da dieses Haus wieder verkauft werden musste, zog Bertha Reis mit der Tochter 1939 in das jüdische Schwesternheim in der Dillmannstraße 19. Von dort wurden sie 1941 in das jüdische Altersheim in der Heidehofstraße 9 in Stuttgart-Ost eingewiesen.
Im Frühjahr 1942 folgte die Zwangsumsiedlung in das „Altersheim“ nach Dellmensingen bei Ulm. Ihre Tochter Hedwig war immer dabei. Über das Leben der zweiten Tochter Paula während dieser Zeit konnte nichts ausfindig gemacht werden.
Wie alle Menschen jüdischen Glaubens musste Bertha Reis ab dem 19. September 1941 den gelben Judenstern tragen.
Im August 1942 wurde ein weiterer „Umzug“ angeordnet, die Deportation nach Theresienstadt. Am 22. August 1942, einem Samstag, ging der Transportzug vom Stuttgarter Nordbahnhof aus ab. Auch bei diesem letzten „Umzug“ war sicher wieder die Hoffnung dabei, dass sie nun bleiben könne.
Mitgenommen nach Theresienstadt hatte Bertha eine echte Diwandecke und Bettzeug.
Aber Bertha Reis‘ Zeit in Theresienstadt war nur kurz. Angekommen dort ist der Transport am nächsten Tag, dem 23. August 1942, einem Sonntag. Am 10. September 1942 war sie tot. Wir wissen nicht, ob sie an Typhus gestorben oder verhungert ist. Bertha Reis wurde 81 Jahre alt.
Gerne wäre sie mit ihrer Tochter Hedwig in die USA emigriert. Aber es war nicht möglich.
Ihre Tochter Paula konnte nach England entkommen. Vom Schicksal ihrer Mutter Bertha erfuhr sie erst nach dem 2. Weltkrieg. 1955 lebte Paula noch in der Emigration in London.
2011 / Margot Weiß – Stolpersteininitiative Stuttgart-West
Quellen:
Stadtarchiv Stuttgart – Adressbücher, Judenlisten, Deportationsliste.
Staatsarchiv Ludwigsburg – Entschädigungsakten.
Bürgermeisteramt Riesbürg.
Joachim Hahn: Friedhöfe in Stuttgart. 3. und 4. Band.
Bilder: Staatsarchiv Ludwigsburg.