Pauline „Bonna“ Spier, geborene Heidenheimer, geboren am 12.10.1874 in Stuttgart, ist die Witwe des 1937 gestorbenen Kaufmanns Jakob Spier. Wie es scheint, hat ihr Ehemann Jakob 1898 in das Unternehmen ihres Vaters eingeheiratet. Als Mitinhaber der Firma Gebrüder Heidenheimer Posamenterie1 en gros, Olgastr. 67 p. sind die Spier’s zu Wohlstand gekommen.
Familie Spier wohnte von 1910 bis 1940 in einer Vier-Zimmer-Wohnung im 1. Stock der Stitzenburgstr. 2, einem der repräsentativsten Mehrfamilienhäuser des Wohngebietes, in bester Aussichtslage.
Von Pauline Spier haben wir leider kein Bild gefunden. Sie und ihre Tochter Ella Spier wurden ab 1940 zu mehreren Wohnungswechseln gezwungen (Pauline zuerst in Gerokstr. 17 II, dann Weidachstr. 16 II, dann Oberdorf/Ipf). Schließlich wurde Pauline Spier am 22.8.1942 über Stuttgart nach Theresienstadt deportiert, überlebte dort mehr als 1 1/2 Jahre und wurde am 16.5.1944 in Auschwitz ermordet.
Ihre Tochter, Fräulein Ella Spier, geboren am 10.10.1898 in Stuttgart, wurde 1940 zum Umzug Degerloch gezwungen, einem Judenhaus, das Familie Stern Stuttgart-Degerloch, Weidachstrasse 16 gehört hatte .
Nach einem Zwangsaufenthalt – wie ihre Mutter – ebenfalls in Oberdorf/Ipf wurde sie von ihrer Mutter getrennt und am 1.12.1941 über Stuttgart zusammen mit etwa 1000 württembergischen Juden im ersten Deportationszug nach Riga deportiert. Dort – im Lager Jungfernhof – verliert sich ihre Spur. Ob sie in den ungeheizten Baracken erfroren oder „durch Arbeit“ umgekommen ist, ist nicht festzustellen. Am wahrscheinlichsten ist, dass Ella Spier am 26.3.1942 zusammen mit 1600 Erwachsenen und 240 Kindern im Bickern’schen Hochwald bei Riga erschossen wurde.
1 Posamenteriewaren sind „Besatzartikel“, also Zierbänder, Borten, Kordeln, Quasten, Tressen und alle Arten von Spitzen als Zierrat, u.a. für Lampen, Möbel, Kleidung und anderes zu schmückende.
Paßbilder Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg
Das Gebäude Stitzenburgstr. 2 stand im jetzigen Gartenbereich des Stitzenburg-Hochhauses. Es wurde durch Fliegerbomben zerstört.
Weil von niemandem ein Wiedergutmachungsantrag gestellt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass es keine überlebenden näheren Verwandten der Familie Spier gibt.
Alles Vermögen der Familie ist somit an das Deutsche Reich und seine Rechtsnachfolger gefallen.-
Recherche und Text: Klaus Steinke, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Mitte.
< Steinverlegung 14.04.2012
Finanziert wurden die Gedenksteine von der Seniorengruppe Ev. Kirchengemeinde Stuttgart Nord, Geschäftsführendes Pfarramt Erlöserkirche, Vertreten durch Frau Margarete Traut, Stuttgart und der Gedenkstein für Ella Spier von Frau Dr. Monika Friedemann, Freiburg.
Quellen: Fotos: Landesarchiv Ludwigsburg.
Fassadenplan: Stadtarchiv Stuttgart.