Ermordet, weil er Jude war
Julius Wertheimer wurde am 19.8.1878 in Freudental geboren. Er war Teilhaber der Firma J. & S. Wertheimer, die von Februar 1929 bis 1.4.1930 in Zuffenhausen, Spitalwaldstr. 5 ihren Firmensitz hatte. Danach wurde die Firma in die Schottstr. 6 zurückverlegt und dem Prokuristen die Prokura entzogen. 1932 wurde sie aufgelöst. Da es keine weiteren Akten im Archiv gibt, kann man nur mutmaßen, warum die Hoffnungen und Pläne der beiden Teilhaber scheiterten. Wurden sie von dem Prokuristen betrogen? Hatten sie sich übernommen?
Vor 17 Jahren fanden wir in Maria Zelzer, „Weg und Schicksal Stuttgarter Juden“ den Hinweis: „Wertheimer, Julius, Teilhaber der FA J.Und S. Wertheimer, Baumwollhandlung, Zuffenhausen, Spitalwaldstr. 5, gestorben in der Deportation.“ In jahrelanger Recherche konnten wir diese dürren Informationen kaum ergänzen.
Bei der ersten Deportation vom Stuttgarter Killesberg am 1. Dezember 1941 in das KZ Riga war Julius Wertheimer dabei. Zuvor war er zwangsweise in das „Sammellager“ Buttenhausen eingewiesen worden, von wo aus er sich am 27.11.1941 in der Versammlungshalle der Reichsgartenschau einzufinden hatte, zusammen mit 1350 weiteren Juden aus ganz Württemberg. Bei diesem ersten Transport versuchten die Nazis noch, den Schein zu wahren. Es wurden nur arbeitsfähige Juden ausgewählt und sie sollten Arbeitsgerät mitnehmen. Julius Wertheimer dürfte mit seinen 63 Jahren einer der Ältesten gewesen sein. Die Juden wurden aus der Halle, in der sie 3 Tage und Nächte auf dem blanken Fußboden zugebracht hatten, mit Lastwagen zum Nordbahnhof gefahren und in überfüllte Personenzüge verladen. Die Waggons waren verschlossen, es gab keine Möglichkeit, zu entfliehen und der Gestank während der Fahrt wurde fürchterlich. Die Reise dauerte 3 Tage und drei Nächte. Dieser Transport war nicht so grausam wie die nachfolgenden. Die Vernichtungsmaschinerie der Nazis wurde später noch weiter perfektioniert, aber Julius Wertheimer gehörte zu den ersten, die das Ziel nicht erreichten und schon auf dem Transport starben.
Die Schüler der Bertha-von-Suttner-Realschule informierten mit Bildtafeln über die Transporte in die Vernichtungslager. Rike Kohlhepp trug das Lied „Von guten Mächten treu und still umgeben“ von Dietrich Bonhoeffer und „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ vor. Inge Möller schilderte die wenigen Fakten, die in den Archiven zu finden waren und berichtete über die anderen jüdischen Firmen in der Schwieberdinger Straße, die in der Nazi-Zeit alle enteignet wurden. Die Existenz der Besitzer wurde vernichtet.
Der Stolperstein für Julius Wertheimer wurde am 28. April 2017 verlegt.
Die Inschrift lautet:
SPITALWALDSTR. 5 ARBEITETE
JULIUS WERTHEIMER
JG 1878
DEPORTIERT 1941
RICHTUNG RIGA
TOT AUF TRANSPORT DEZEMBER 1941
Text u. Recherche: Inge Möller, Initiative Stolpersteine Zuffenhausen
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg und Landesbibliothek Stuttgart
• Hannelore Marx: Stuttgart – Riga – New York. Mein jüdischer Lebensweg. Horb-Rexingen 2005.
• Juden und ihre Heimat Buttenhausen. Ein Gedenkbuch zum 200. Jahrestag des Buttenhausener Judenschutzbriefes am 7. Juli 1987. Hrsg. Von der Stadt Münsingen. 2. Aufl. 1988
• Deportation 1941-1945. Stiftung Geissstrasse 7
• Maria Zelzer: Weg und Schicksal Stuttgarter Juden. Stuttgart 1964.
Bild: Inge Möller
Kontakt: Inge Möller