Artikel aus den Stuttgarter Nachrichten
Torsten Schöll – 08.11.2024
Eine Initiative aus Unterstützern der Stuttgarter Erinnerungskultur will eine Rückbenennung des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums erreichen. Die Initiatoren sagen, in vielen Städten in Deutschland sei Ferdinand Porsches Namen bereits getilgt worden.
Sollte ein städtisches Gymnasium in Stuttgart den Namen von Ferdinand Porsche tragen? Eine Gruppe aus „Unterstützern der Stuttgarter Erinnerungskultur“ sagt angesichts von Porsches Rolle während der NS-Diktatur: Nein. Am Freitag hat die Initiative deshalb anlässlich des Jahrestags der Novemberpogrome von 1938 mit einer Mahnwache vor dem Ferdinand-Porsche-Gymnasium Zuffenhausen (FPGZ) für die „Rücknahme der Umbenennung des Gymnasiums Zuffenhausen“ protestiert.
Zum Hintergrund: Seit 1983 heißt die Schule in der Haldenrainstraße „Ferdinand-Porsche-Gymnasium Zuffenhausen“. Damals feierte die Einrichtung ihr 25-Jahr-Jubiläum, und es war, wie Protokolle aus dem Zuffenhausener Bezirksbeirat belegen, das Bürgermeisteramt selbst, das den Vorschlag zur Umbenennung in Ferdinand-Porsche-Gymnasium eingebracht hatte.
Inhaltlich gab es 1983 kaum Kritik an dem Namen
Welche Rolle Porsche in der NS-Diktatur spielte und wie er sich als Unternehmer verhielt, war damals noch weitgehend unerforscht, weshalb es inhaltlich wohl auch kaum Kritik am Namen des Unternehmensgründers gab. Lediglich das Verfahren zur Namensänderung sorgte für Unmut. Offenbar war es allzu deutlich von der Spitze der Stadtverwaltung gesteuert. Spätestens seit der Historiker Hans Mommsen 1996 in seinem Buch „Volkswagen und seine Arbeiter im Dritten Reich“ Ferdinand Porsches Rolle als Chef des Volkswagenwerks in Fallersleben beleuchtet hat, ist jedoch klar, dass der Ingenieur Schuld auf sich geladen hat. So schreckte Porsche nicht davor zurück, in seinem Werk massenhaft Zwangsarbeiter einzusetzen.
„Ferdinand Porsche war SS-Oberführer und hatte beste Beziehungen zu Heinrich Himmler“, erklärt am Freitag der Initiator der Aktion, Peter Erben. Nur so habe Porsche seinen „unersättlichen Bedarf an KZ-Häftlingen“ decken können.
Erben betont, dass es der Initiative darum gehe, einen „Prozess des Dialogs in Gang zu setzen“. Die Gruppe kritisiert, dass 1983 nicht gründlich genug überlegt worden war, ob Ferdinand Porsche (nicht zu verwechseln mit dessen Sohn Ferry) als Namensgeber für die Schule geeignet ist.
Umbenennung wurde bereits in den 90er-Jahren diskutiert
Joseph Michl, ehemaliger Bezirksbeirat in Zuffenhausen, weist darauf hin, dass auch das Regierungspräsidium Stuttgart kürzlich einen Saal umbenannt hatte, der den Namen Porsches trug. Michl, ein Mitglied der Initiative, dessen Kinder das FPGZ besucht hatten, erinnert sich, dass bereits in den 90er-Jahren die Umbenennung diskutiert wurde, an der Schule aber tabu war. Im Gemeinderat hatte zuletzt Die Fraktion 2020 erfolglos die Namensänderung beantragt.
Die ehemalige Bezirksbeirätin Susanne Bödecker verwies im Rahmen der Mahnwache darauf, dass bereits in zahlreichen Städten in Deutschland Ferdinand Porsches Namen getilgt worden sei. So in Hannover, Wolfsburg, im österreichischen Linz oder in Düsseldorf, wo eine Straße nach ihm benannt war. In Düsseldorf ordnete man Ferdinand Porsche, sagte Bödecker, „als schwer belastet, nicht haltbar ein“.
Schule hat ein Unterrichtsmodul zu Ferdinand Porsche aufgelegt
Die Initiative suchte am Freitag auch das Gespräch mit Schulleitung und Schülern. Der 12-jährige Pierre Gyurcsik hat sich mit dem Thema beschäftigt. Er sagt, dass Ferdinand Porsche Unterstützer des Nationalsozialismus gewesen sei. „Ich finde nicht gut, dass unsere Schule so einen Namen trägt.“
Das Ferdinand-Porsche-Gymnasium, das sich als „Schule ohne Rassismus“ bezeichnet, besuchen Schüler aus 43 Nationen. Der Schulleiter Ulrich Göser erklärte, dass die Benennung von Schulen dem Gemeinderat obliege. „Grundsätzlich versteht das Porsche-Gymnasium seinen Namen als Aufforderung, sich kritisch mit dem Namensgeber und den zeitlichen Verflechtungen auseinanderzusetzen.“ Im Hinblick auf die historische Person habe die Schule ein umfangreiches Unterrichtsmodul mit dem Titel „Ferdinand Porsche: ein würdiger Namensgeber?“ entwickelt.
In dem auf Anregung der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen von Hermann G. Abmayr 2009 herausgegebenen Buch über “Stuttgarter NS-Täter” konnte Ulrich Viehöver in seinem Beitrag erstmals die Wege der Porsche-Millionen nachzeichnen, die während der Nazizeit angehäuft worden waren. Für die 2021 erschienene 3., erweiterte Auflage des Buches schrieb dann Eberhard Reuß ein ergänzendes Porsche-Kapitel über das erzwungene Ausscheiden des Mitgründers Adolf Rosenberger aus dem Unternehmen, weil er Jude war (Ferdinand Porsche II – “Man muss von Arisierung sprechen”: Der Fall Adolf Rosenberger”). Die Initiative “Ferdinand Porsche – NOT MY HERO” findet unsere volle Unterstützung, denn das so oft beschworene “Nie wieder” bleibt ohne die Auseinandersetzung mit den damaligen Tätern und ihren Verbrechen wirkungslos.