Artikel aus der Stuttgarter Zeitung
Frank Rothfuß 19.05.2024 – 17:00 Uhr
Julius Noppel bereits in Uniform. Foto: privat
Sie waren die ersten Opfer der Nazis. Um ihre Macht zu festigen, wurden die Kommunisten und Sozialdemokraten schikaniert, verhaftet, getötet. Die Verfolgung hörte nicht mehr auf, Julius Noppel wurde ins Strafbataillon 999 gesteckt und an die Front geschickt.
Julius Noppel war Gipser und Kommunist. Und galt damit den Nazis als Feind. Vermutlich war es für ihn keine Überraschung als ihn drei Gestapo-Männer eines Morgens zuhause in Zuffenhausen in der Kirchtalstraße abholten. Sie brachten ihn auf den Heuberg nach Stetten am kalten Markt. Dort wurde das Strafbataillon 999 aus ehemaligen „Wehrunwürdigen“ gebildet. Brigade Z hieß sie ursprünglich. Z für Zuchthäusler.
Der Wehrdienst war für die Nazis Ehrendienst am deutschen Volke. Wer im Gefängnis war, verlor seine Ehrenrechte, bekam dies schriftlich Schwarz auf blau dokumentiert, dass er „ausgeschlossen war von der Wehrpflicht“. Doch mit dem Zusammenbruch der Front im Osten, dem Tode von zigtausenden deutscher Soldaten, brauchten die Wehrmacht und die SS neues Kanonenfutter. Plötzlich schwadronierte das Oberkommando der Wehrmacht davon „Ehrlosen und Feiglingen“ dürfe keine Gelegenheit gegeben werden, sich dem Frontdienst zu entziehen.
Denkmal in Stetten am Kalten Markt
Also entstanden die Strafbataillone, warum jenes auf der Alb 999 genannt wurde, dafür gibt es keine gesicherte historische Erkenntnis. 30.000 Männer wurden zwangseingezogen, Mörder, Einbrecher, Schwarzhändler, Wilderer, – und 8000 Regimegegner, Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Zeugen Jehovas, ehemalige Spanienkämpfer auf Seiten der Republikaner.
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Am 2. Oktober 1942 wurden knapp 8000 Mann nach Stetten am kalten Markt gebracht. Der Volksmund nennt den Ort Stetten am kalten Arsch, der Sage nach soll dort eine Ziege im Sommer erfroren sein, daher entspringt der Name. Kommandeur war Oberst Kurt Thomas, genannt „Tom der Wahnsinnige“. Der Historiker Hans-Peter Klausch beschreibt in seiner Dissertation „Die Geschichte der Bewährungsbataillone 999 unter besonderer Berücksichtigung des antifaschistischen Widerstands“ die Zustände auf dem Heuberg. Brutaler Drill, mieses Essen und schikanöse Vorgesetzte: „Von Euch Schweinen und Verbrechern müsste man alle paar Tage ein paar erschießen.“
Gerade die politischen Gefangenen versuchten aber alles, um nicht aufzufallen, sie organisierten den Widerstand innerhalb des Bataillons. Kleine Gruppen kamen zusammen, versuchten an neuralgische Stellen wie Offiziersburschen oder Kommandeursfahrer zu kommen. Um dort Informationen zu sammeln und zu verbreiten. Klausch beschreibt, wie vielfältig der Widerstand war. Das ging übers Verbreiten von Nachrichten der Feindsender über Sabotage bis hin zur Flucht. 1500 Soldaten des Bataillons sind übergelaufen, allein in Griechenland waren es 600.
Von Julius Noppel ist leider wenig bekannt. Für seine Angehörigen war er verschwunden. Es liegt nahe, dass er mit dem Bataillon über Südfrankreich nach Nordafrika und schließlich an die Ostfront musste. In der Nähe von Charkow starb er am 18.7.43.