21. April 1945, einige Tag vor Kriegsende: Nach monatelanger Haft und Folter im Konzentrationslager Welzheim (Rems-Murr-Kreis) wird der Stuttgarter Hermann Schlotterbeck in einem Wald in Riedlingen an der Donau erschossen. Zusammen mit Gottlieb Aberle und Andreas Stadler.
Ermordet vor 80 Jahren: Hermann Schlotterbeck war der Sohn von Gotthilf und Maria Schlotterbeck und der Bruder von Gertrud Lutz, die vor 80 Jahren, am 30. November 1944, im KZ Dachau ermordet worden waren. Zusammen mit sieben weiteren NS-Gegnern aus Stuttgart.
Verantwortlich für die Morde in Riedlingen waren u. a. der Gestapo-Mann Albert Rentschler, sein Chef Friedrich Mußgay und dessen Chef Johannes Thümmler. Thümmler war zu dieser Zeit in Württemberg als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS der oberste Polizeichef, Mußgay Leiter der Staatspolizeistelle (Gestapo) Stuttgart.
Thümmler und Mußgay: Zuvor leitete Thümmler die Gestapo in Chemnitz und Kattowitz, ein Einsatzkommando in Kroatien und im KZ Auschwitz das SS-Standgericht Oberschlesien. Dort war er für hunderte Todesurteile verantwortlich.
Mußgay nahm sich nach dem Krieg das Leben. Thümmler machte in Baden-Württemberg bei einem großen Unternehmen Karriere. Er musste sich nie vor einem bundesdeutschen Gericht verantworten.
Veranstalter*innen: Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber und Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg
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„Das Ringen um die geschichtliche Wahrheit darf nicht einfach aufhören; die Vermittlung von Einzelschicksalen ist eine immerwährende Aufgabe.“ (Petra Olschowski)
Vor dem Haus in der Adlerstraße 24 wurde am 16. März 2005 einer der ersten Stolpersteine in Stuttgart für ein politisches Opfer des NS-Regimes verlegt. Hier hatte seit 1911 mit Unterbrechungen die Kontoristin Else Himmelheber (1905-1944) gewohnt. 1931 war sie nach Berlin gezogen, um für die Reichsleitung der KPD zu arbeiten, 1933 wurde sie verhaftet und bis 1938 im niedersächsischen Konzentrationslager Moringen festgehalten. Aus der für Juni 1944 geplanten Hochzeit mit Friedrich Schlotterbeck, den sie noch aus dem kommunistischen Jugendverband kannte und der erst im August 1943 nach fast zehn Jahren in Haft (zuletzt im Konzentrationslager Welzheim) freigekommen war, wurde nichts. Eugen Nesper, früher ebenfalls Jungkommunist und Untermieter der Schlotterbecks in Luginsland, hatte der Gestapo als Lockvogel gedient und die ganze Familie sowie mehrere ihrer Bekannten verraten. Friedrich und sein Bruder Hermann, dessen Freund Karl Stäbler und Else Himmelheber versuchten auf getrennten Wegen in die Schweiz zu fliehen, doch nur Friedrich gelang die Flucht (Stäbler konnte sich bis Kriegsende verstecken, Hermann wurde kurz vor Kriegsende in der Nähe von Riedlingen in Oberschwaben ermordet). Else Himmelheber wurde am 30. November 1944 in Dachau zusammen mit Friedrichs Eltern Gotthilf und Maria Schlotterbeck, deren Tochter Gertrud Lutz, Erich Heinser, Emil Gärttner, Sofie Klenk sowie Emmy Seitz und deren Schwager Hermann Seitz ohne Gerichtsverhandlung erschossen. Eine Familie, die ihren humanistischen Idealen treu geblieben war und gegen Hitlers Krieg gekämpft hatte, war mitsamt Freunden, die an ihrer illegalen Arbeit gar nicht beteiligt waren, ausgerottet worden. Letztlich dürfte die Weigerung Friedrich Schlotterbecks, sich nach seiner Entlassung aus dem KZ-Lager Welzheim als Spitzel einspannen zu lassen, ausschlaggebend für den blutigen Rachefeldzug der Gestapo gegen die Schlotterbeck-Familie und ihren Freundeskreis gewesen sein! Nach dem Krieg nahm Friedrich Schlotterbeck Wilfriede Lutz – die Tochter seiner Schwester Gertrud – bei sich auf. Sie war nach der Verhaftung ihrer Mutter in ein NS-Kinderheim gekommen. Ironie der Geschichte: 1948 ging Friedrich Schlotterbeck in die damalige sowjetische Besatzungszone, geriet aber mit seiner undogmatischen Art bald in Konflikt zu den Mächtigen der DDR und musste 1953 aufgrund absurder Anschuldigungen erneut drei Jahre ins Gefängnis. Wilfriede kam nun in ein DDR-Kinderheim. Friedrich Schlotterbeck wurde später rehabilitiert und starb im April 1979 in Berlin, die Grabrede hielt die Schriftstellerin Christa Wolf.
Werner Schmidt (Text aus: Ein bürgerschaftliches Projekt zieht Kreise – Zehn Jahre Stolpersteine für Stuttgart, 2013 Markstein Verlag, Stuttgart, S. 234 f., aktualisierte Fassung vom 27.11.2023)
Anmerkungen: Für Gertrud Lutz wurde am 5. Oktober 2009 auf dem Haigst in Degerloch ein Stolperstein verlegt (ihr Mann Walter Lutz war im Oktober 1942 – zwei Monate nach der Geburt der Tochter Wilfriede – an der Ostfront gefallen). Ein Stolperstein erinnert seit dem 19. Mai 2009 in der Augsburger Str. 601 in Obertürkheim an Emil Gärttner, bereits am 8. Mai 2007 wurde für Sofie Klenk in der Manfredst. 17 in Luginsland ein Stolperstein gesetzt. Für Emmy Seitz und ihren am 6. Februar 1945 im Zuchthaus Halle wegen „Nichtanzeigen eines Kriegsverrats“ hin gerichteten Ehemann Theodor Seitz gibt es seit September 2008 Stolpersteine in der Wartbergstr. 14 im Stuttgarter Norden. Ein Stolperstein für Hermann Seitz liegt seit dem 6. November 2023 in der Haußmannstr. 174 in Stuttgart-Ost. Am 21. Februar 2025 soll dann auch für Erich Heinser in der Stubaier Str. 74 in Untertürkheim ein Stolperstein verlegt werden.